Donnerstag, 21. Januar 2010

Vollgeld oder Regiogeld?


Ernst Dorfner



In einer Zuschrift werde ich folgendes gefragt:

„Vollgeld bedeutet Geldmonopol. Der Staat wäre der einzig Bevollmächtigte, Geld zu schöpfen. Genau hierum geht es in meiner Frage: Um die Umsetzung dieses Monopols. Ist dies machbar? Und wenn ja, unter welchen Bedingungen?

Wenn alternative Geldformen nicht unterbunden werden können, dann gibt es kein staatliches Schöpfungsmonopol. Das Hautproblem der Geldregulierer ist das Katz-und-Maus-Spiel zwischen dem Versuch, die Geldschöpfung zu begrenzen, und der Erfindung neuer Geldformen …

Wenn sie Vollgeld haben, wird der Versuch der Schaffung Alternativgelder noch stärker. Wie verhindert man dies?“


Dazu meine Antwort:

Die Frage kann ich nicht beantworten, weil sie sich nicht stellt. Sie kommt aus der Vorstellungswelt, Geld wäre ein Tausch(hilfs)mittel, das den Austausch von schon fertigen Produkten unter einer Gruppe von Wirtschaftssubjekten vereinfacht, und am Ende etwas ist, das - so wie das Teller beim Essen - nachdem alle Güter ausgetauscht sind. Da es in dieser Vorstellung nun aber keine zeitliche Dimension gibt und braucht, die Vergangenheit die Gegenwart und diese wieder die Zukunft nicht bedingt, kann dann in einer Vielzahl von zeitlich abgeschlossenen Kreisen auch eine Vielzahl von Geldformen zur Anwendung kommen.


So aber läuft die Sachlage nicht. Geld tritt nicht erst beim Tausch in Erscheinung, sondern schon bei der dem Tausch voraus liegenden Produktion. Diese ist zu aller erst ein unabdingbarer physikalischer Prozess in der Zeit mit einem zeitlichen Anfang, in dem von außen etwas Vorhandenes zugeführt wird, und einem zeitlichen Ende, in dem nach außen etwas damit Produziertes abgegeben wird. Dieser Prozess ist somit unabhängig von Geld und damit jeder ausgedachten Form eines Geldes.

Der für jede Produktion unumgängliche legale Zugriff auf fremdes Eigentum, insbes. auf die Lohnarbeit, führt zwangsläufig zur Verschuldung des Belieferten, des kaufenden Unternehmens gegenüber dem Lieferanten. Die dabei schon vormonetär entstehenden Schulden werden durch Geld erfüllt, welches der Produzent durch Kreditaufnahme – also Verschuldung bei einer Bank – erhält. Geld muss somit diese zeitliche Funktion auch erfüllen.


Die Schulden zwischen Belieferten und der Bank sind in einer ganz konkreten Form im Kreditvertrag qualitativ und quantitativ definiert, und später dann auch in dieser Form zu erstatten.

Die Schulden können somit nach Fertigstellung und Verkauf des Produktes nur mit Mitteln in der festgehaltenen Form getilgt werden, und nicht durch Irgendwas. Sind also Schulden in einem ganz konkreten Geld, etwa Euro, festgehalten, so sind diese auch wieder durch selbiges Geld zu tilgen, welches anderswo durch Kreditaufnahme, also aus einem neuen Kredit, neu entstanden ist.


Da nun aber Schulden eine zeitliche Dimension haben, heißt das, dass die Gegenwart bereits durch die Vergangenheit vorbestimmt wurde, und die Zukunft durch die Gegenwart vorbestimmt wird. Der Begriff „Kredit“ erhält erst in diesem Zusammenhang seine Bedeutung als etwas, das eine zeitliche Zusammenklammerung bildet. Der Kredit ermöglicht heute die Produktion von Waren für morgen gerade durch den Zugriff auf Produkte, die gestern erzeugt wurden und heute nach ihrer Fertigstellung verkauft werden. Kredit ist somit bereitgestelltes Vertrauen auf Erfüllung in Zukunft. Er ermöglicht erst die Vorfinanzierung u.a. von Lohneinkommen in jeder neuen Periode - und nicht die Verteilung der Einnahmen aus dem Verkauf der in der Vorperiode erzeugten und heute fertigen Waren. Ohne neue Lohneinkommen in der laufenden Periode könnten ja die Konsumwaren aus der Vorperiode gar nicht gekauft werden. Das Geld fließt somit nicht vorwärts, sondern zurück zur Tilgung alter Schulden. Was vorwärts fließt, sind die immer weiter steigenden Schulden, wobei die alten Schuldner durch neue Schuldner abgelöst werden (müssen).


Dieses Vertrauen kann nun aber auch missbraucht werden, eine Erfüllung in Zukunft vorgetäuscht werden, wo sie nicht gegeben ist. Wo mit einem „leeren“ Kredit, einer leeren Vertrauens-Blase Geld entsteht, mit dem auf bereits fertige Produkte zugegriffen werden kann, ohne dass in Zukunft das Vertrauen durch eine Gegenleistung erfüllt wird.

Ein breites Tor für solches Tun eröffnet nun aber die Möglichkeit der eigenständigen Schöpfung von Geld durch die Geschäftsbanken aus Nichts. Sie stehen nicht vor der Entscheidung, ihre Einlagen so oder anders zu verwenden, sondern können dies durch Geldschöpfung sowohl so als auch anders machen.

Dem soll - nicht allein, aber auch - mit Vollgeld entgegengetreten werden, indem die Geldschöpfung der Geschäftsbanken unterbunden wird.



Der Eintritt in diesen Zeitprozess mit einem anderen, alternativen Geld, ist schwierig bis unmöglich. Es ist wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel. Immer wenn der Hase ankommt, ist der Igel schon da. Selbst die Semmel, die aus vor der Tür geerntetem Getreide hergestellt wird, hat diese räumliche und zeitliche Dimension. Steckt doch in ihr auch ein winzig kleiner Anteil der Herstellung von Stahl für den ehedem gebauten Backofens. Stahl, der vor noch längerer Zeit in Form von Eisenerz von Übersee geliefert worden ist.

Auch die Tauschringe brauchen für Zukäufe von außen das reguläre Geld, also Euro. Alternatives Geld kann deshalb immer nur in einem begrenzten räumlichen Bereich eingesetzt werden. Deshalb wird alternatives Geld oder Regiogeld in den großräumigen, für unsere Zivilisation unumgänglichen Infrastrukturbereichen (Energie, Wasser und Abwasser, Verkehr, Telekommunikation, Gesundheit, Bildung) nicht wirklich angenommen werden. Gerade diese Bereiche sind ja vordem aus hohen Investitionen von Geld entstanden, und sind die damals ausgereichten Kredite heute in Geld zu tilgen. Geld, das aus dem Verkauf des Erzeugten oder Bereitgestellten eingenommen wird. Das ganze funktioniert also nur mit einem einheitlichen Mittel, welches in vielen Ästen zu den unterschiedlichen Fertigungen und Nutzung führt.


Das aber heißt, dass alternatives Geld nicht verhindert werden muss, sonder sich – zumindest im maßgeblichen Ausmaß – selbst verhindert. Das staatliche Monopol stellt sich von selbst ein, da wir mit alternativen Geldformen nicht weit kommen können. Denken wir doch an die Vielfalt unserer privaten monatlichen Zahlungen an die unterschiedlichsten Stellen.


Goethe wusste: „Am Gelde hängt, zum Gelde drängt doch alles“ Es ist jenes Etwas, das eine gewaltigen Vielfalt von Arbeitsleistungen und den damit zu verwirklichenden Wünsche auf eine für alle gleichen Punkt ausrichtet, nämlich sich Geld zu beschaffen. Ich meine, dass es diese unsichtbare Hand des Geldes ist, die unsere moderne Zivilisation mit all ihren Vor und Nachteilen erst möglich machte. Aus der individuelle Operationen erst zu der Co-Operation führte, die Fertigungen von Großanlagen durch Zusammenarbeit erst organisierbar machte. Auch wenn die Geldgier ein Exzess ist, so manifestiert sich darin doch der Treibsatz unserer modernen hocharbeitsteiligen Struktur unserer Zivilisation.


Ich fürchte, dass dies auch im Kreis der UnterstützerInnen von Vollgeld nicht immer so gesehen wird. Ich darf deshalb einmal mehr Keynes zitieren, der im Vorwort zur englischen Ausgabe seiner Allgemeinen Theorie schreibt:

„Die Schwierigkeit liegt nicht so sehr in den neuen Gedanken, als in der Befreiung von den alten, die sich bei allen, die so erzogen wurden wie die meisten von uns, bis in die letzten Winkel ihrer Geistesart verzweigen.“

Die Bedeutung von Vollgeld aber wird erst aus dieser Sicht wirklich erfassbar.





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