Donnerstag, 27. Januar 2011

Donnerstag, 8. April 2010

Geld: Schuldentilgungsmittel, nicht Tauschmittel


Auch Vollgeld ist nicht schuldenfreies Geld

Zum Beitrag von Bernd Senf
Bankgeheimnis Geldschöpfung (2009)

http://www.monetative.de/wp-content/uploads/bernd-senf-bankgeheimnis-geldschopfung-apr-09.pdf



1.
Es mag befremdlich und kontraproduktiv erscheinen, wenn ich als Unterstützer der Intiative „Monetative“ die Frage stelle, ob denn die Protagonisten dieser Initiative das Wesen unserer Kredit/Geldwirtschaft wirklich voll und ganz erkannt haben. Ich meine Nein. Und halte deshalb dafür, dass dies notwendig ist, um das Projekt der Einführung von Vollgeld möglichst widerspruchsfrei darstellen und vermitteln zu können. Wobei der Kern der Sache die Geldschöpfung durch Geschäftsbanken ist.

Um diese Sache kreist auch Bernd Senf in seinem Beitrag „Bankgeheimnis Geldschöpfung“. Wobei er mit der Problematik von Zins und Zinseszins beginnt :
„Die Problematik des Zinssystems soll hier nur ganz kurz angedeutet werden. Der scheinbar selbstverständliche Zins und Zinseszins lässt die Geldvermögen exponentiell … anwachsen. … Denn das Anwachsen der Geldvermögen hat zur Grundlage (und treibt hervor) ein entsprechendes Wachstum der Schulden irgend wo anders im Gesamtsystem: bei privaten Unternehmen, privaten Haushalten und beim Staat innerhalb eines Landes oder im Ausland.
….. Die Schulden sind das Spiegelbild der Geldvermögen, …. Exponentiell wachsende Zinslasten, die aus dem jährlichen Sozialprodukt aufgebracht werden müssen, können von den Schuldnern im Durchschnitt immer weniger erwirtschaftet werden, weil in ein Welt begrenzter Ressourcen und Absatzmärkte ein exponentielles Wachstum der Realwirtschaft auf Dauer nicht möglich ist. ….
Weil die Geldvermögen trotzdem weiter wachsen wollen, suchen sie - vermittelt durch Banken, Investmentfonds oder Hedgefonds - ihr Glück an den spekulativen Finanzmärkten ….
Dies alles wurde seit Anfang der 80er Jahre möglich, seitdem der Neoliberalismus und die Fanatiker der Globalisierung begannen, alle traditionellen nationalen Beschränkungen spekulativen Kapitalverkehrs nieder zu reißen und dies als Weg zum weltweit wachsenden Wohlstand propagierten.“ (S. 1ff)

Und nun die Frage von Senf.:
“Wo kamen die Unsummen von Geldern her, mit denen die Spekulationsblasen aufgepumpt wurden, wer hat sie wie geschöpft und in Umlauf gebracht? Und wo sind die Quellen für die ganzen Rettungsschirme und Konjunkturpakete in Billionen-Höhe? ….“
Und dessen Antwort:
„ Der Art und Weise der Geldschöpfung kommt in diesem Zusammenhang eine wesentliche Bedeutung als Krisenursache bzw. als verstärkender Faktor zu. Um so erstaunlicher ist es, dass die Geldschöpfung durch Jahrhunderte hindurch und bis heute eines der best gehüteten Bankgeheimnisse war und ist - und eines der folgenschwersten. Im Folgenden soll grob skizziert werden, wie und woraus sich die Geldschöpfung entwickelt hat und auf welche Weisen sie immer wieder verschleiert wurde.“ (S.2)

Aus diesem Erklärungsversuchen wird man nun aber nicht recht schlau. Was ist hier das Alpha? Und was das Omega? Warum verschuldet sich überhaupt wer woanders? Treibt das Wachstum der Geldvermögen das Wachstum der Schulden an? Oder setzt das Wachstum des Geldvermögens das der Schulden voraus? Und wie können die Zinslasten in Form von Geld aus dem Sozialprodukt in Form von Gütern aufgebracht werden? Wo doch Geld nicht produziert wird und werden kann. Und wenn auch die Geldvermögen wachsen wollen: Sie sollen das wollen! Doch es geht nicht um das Wollen, sondern das Müssen. Das alles bleibt verborgen.

Des Rätsels Lösung für Senf: Die Geldschöpfung der Banken!

Aber auch diese Einsicht hat, hat, wie es scheint, nur mit der Geldsphäre etwas zu tun, aber nichts mit der Realsphäre, der Erzeugung und den Vertrieb von Waren. Hier könnte Senf, der der Freiwirtschaft anhängt, von Silvio Gesell durchaus in der Fragestellung etwas lernen. Denn dieser erkannt:
”Die Ware wird mit Geld gekauft und, mit Urzins belastet, an den Konsumenten gegen Geld wieder verkauft.”
Gesell spricht also in der NWO davon, dass 1. die Verkaufspreise über den Einkaufspreisen liegen, d.h., höher sein müssen als die Einkaufspreise, um den Zinstribut überhaupt zahlen zu können. Und 2. - wenn auch nicht explizit und voll bewusst - von der Zeit, die zwischen Kauf und Verkauf liegt. Mit dem Faktor „Zeit“ wird aber erst aus „Schulden“ mehr als ein Wort. Es wird daraus ein in die Analyse unbedingt einzubringender Faktor daraus. Schulden sind ja nur in der Zeit möglich und notwendig.

Wie dieses Mehr zwischen Verkauf und Kauf ihm nun möglich erscheint, auf diese Frage hat aber auch Gesell nur eine Antwort gegeben, die ihn offensichtlich selbst nicht recht befriedigt. So schreibt er ursprünglich in „Die neue Lehre vom Geld und Zins“ im Haupttext (S. 214), um es später dann in der 4. Auflage der NWO (S. 338) in eine Fußnote zu verbannen: „Dieses Mehr, aus dem Urzins bestehend, verschafft sich der Produzent dadurch, dass er mehr Waren produziert und verkauft, als er kauft. Das Mehr, das so die Produzenten erzeugen, wird von den Geldbesitzern für persönlichen Bedarf gekauft, und zwar gerade mit dem Geld, das sie als Zins erheben.“

Eine so erhöhte Nachfrage ermöglicht zwar erhöhte Preise, gibt jedoch keine Antwort auf die Frage, wie die Geldvermehrung stattfindet. Es wird nur gezeigt, dass die Geldbesitzer in einer stationären Wirtschaft mit zusätzlichem, aber offensichtlich schon vorhandenem Geld auf das erzeugte Produkt zugreifen und damit durch eine höhere Nachfrage in Geld die Preise hochtreiben. So können die Arbeitenden mit ihren Geld-Einkommen nicht mehr ihr volles Produkt erwerben, da die Summe der Preise nun höher ist als die Summe ihrer Einkommen. Es wird ihnen damit also das ‘Recht auf den vollen Arbeitsertrag’ entzogen. Jedoch nicht erklärt werden kann damit das Wachstum der Geldvermögen, die Akkumulation von Geld – und das Wachstum der Wirtschaft. Was in Form der Zinsen wieder an die Geldbesitzer zurückfließt, sind ihre eigenen Ausgaben.

2.
Die Frage, wo das zusätzliche Geld, das für de Zinsen zu zahlen ist, herkommt ist daher von den Freiwirten bislang nicht schlüssig beantwortet. Bernd Senf bemüht sich allerdings in seinen „AufklArungsschriften“ darum: Er hat sie in der Geldschöpfung der Geschäftsbanken gefunden. So schreibt er in seinem Beitrag „Geheimnis Geldschöpfung“ zuerst einmal:
„Das Bankgeheimnis Geldschöpfung verdeckt die Fragwürdigkeit, dass die Banken für aus dem Nichts geschöpftes Geld von den Kreditnehmern Zinsen und Tilgung fordern - und bei Nichterfüllung auf das beliehene Eigentum der Schuldner - wie zum Beispiel Immobilien - zurück greifen und es zwangsversteigern lassen. Auf diese Weise verlieren überschuldete Schuldner zuweilen das Dach über dem Kopf und den Boden unter den Füßen. Diese Konsequenz kann auch ganze überschuldete Länder (zum Beispiel der Dritten Welt) treffen, so dass die Gläubiger die Kontrolle über Menschen und Ressourcen bekommen. Die zugrunde liegende Abfolge "Kreditbedarf - Verschuldung und Enteignung" zieht sich wie ein roter Faden, wie ein Thema mit Variationen durch einige Tausend Jahre Geldgeschichte, aber sie wird besonders grotesk, wenn die Mittel zur Kreditvergabe - wenn auch in gewissen Grenzen - aus dem Nichts geschöpft werden. Man kann diesen Zusammenhang auf einen kurzen Nenner bringen: Mit selbst geschöpftem Geld kaufen sie die Welt.
Und sie tragen auf diese Weise mit dazu bei, dass die exponentiell wachsenden Forderungen der Geldvermögen ermöglicht werden durch entsprechend wachsende Verschuldung, für die immer wieder Kredite bereit gestellt und Schuldner immer tiefer in die Schuldenfalle gelockt oder getrieben werden, so dass eine wachsende Zahl von ihnen zusammen brechen muss.“ (S. 13)

Die Banken schöpfen Geld aus dem Nichts. Dieser Feststellung kann zugestimmt werden. Aber warum schöpfen sie Geld? Weil es Wirtschaftssubjekte gibt, die Kredite brauchen? Wozu aber brauchen sie diese? Nur um Zinsen zahlen zu können, und das Geldvermögen so zu vermehren? Und da die Kredite auch wieder verzinslich sind, sind auch darauf Zinsen zu zahlen, die wieder mit Krediten finanziert werden? Und so weiter….
Wie sich dabei die Abfolge "Kreditbedarf - Verschuldung und Enteignung" wie ein roter Faden durch einige Tausend Jahre Geldgeschichte“ erstrecken kann, diese Frage bleibt außen vor. Die Kontrolle über die Kreditnehmer müsste ja schon längst vollständig sein, diese längst schon ihre Stellung als Rechtsperson, eines Kreditnehmers, verloren haben. Also ist zu fragen: Wer – welche Rechtsperson – nimmt die Kredite auf, nur um die Zinsen begleichen zu können?
Sehr erhellend sind diese Darlegungen also nicht.


3.
Woher das Geld für die Zinsen – und auch für den Gewinn – kommt, ist immer noch nicht beantwortet. Und sie kann auch solange nicht schlüssig beantwortet werden, wie unsere Wirtschaft als Tauschwirtschaft betrachtet wird, und das Geld als Tauschmittel, nicht aber die Rolle des Kredits konsistent beschrieben wird. Kredit ist nämlich in einer Tauschwirtschaft grundsätzlich nicht erforderlich. Der Kredit steht ja offensichtlich mit der Vermehrung von Geld und Geldvermögen im Zusammenhang, bringt also etwas Zusätzliches, was ja ein Darlehen nicht tut: Hier gibt nur ein Anderer das aus, was der Eine nicht ausgibt. Die gesamte Geldmenge bleibt gleich groß.

Die ganz entscheidende Frage ist eine ganz einfache – und deshalb auch kaum gestellt wird.
Nämlich: Was kann in dieser vermeintlichen Tauschwirtschaft denn überhaupt getauscht werden? Muss da nicht etwas da sein, das vorher schon produziert wird? Und nun fertig zum Tausch bereit liegt? Es geht um die Zeit. Um die Zeit vor dem Tausch, in der bereits Geld für Investitionen erforderlich ist, das, wenn es nicht oder nicht ausreichend beim Investor vorhanden ist, aus Krediten kommen muss.
So recht gesehen, spricht Senf jedoch nur von Konsumkrediten, nicht aber von Investitionskrediten. Die Frage der Investitionen findet sich in seinem Beitrag überhaupt nur drei Mal in nicht-eigenen Gedanken, davon zwei Mal in der Wiedergabe von Darlegungen von H.Ch. Binswanger und einmal im Bezug auf Adam Smith, dem „Investitionen […] demnach nur möglich schienen auf der Grundlage voran gegangenen volkswirtschaftlichen Sparens und des Anhäufens von Geldvermögen.“ (S. 6)

Senf stimmt dem nicht zu, erklärt aber auch nicht, dass es keine Akkumulation von Geld geben kann, solange immer nur das bereits vorhandene rezikliert wird. So greift Senf auf Binswanger zurück, der meint:
„Volkswirtschaftliches Sparen [..] ist nicht mehr allein die Voraussetzung für Investitionen und Wirtschaftswachstum, sondern das aus dem Nichts geschöpfte und als Kredit in Umlauf gebrachte ("emittierte") Geld schaffte in den Händen der Kreditnehmer zusätzliche Nachfrage und mobilisierte auf diese Weise ein Produktionspotenzial, das ohne die Geldschöpfung brach gelegen hätte. Erst wenn die Geldschöpfung das Maß des Produktionspotenzials übersteigt, entsteht die Gefahr einer Inflation.“ (S. 5),

Wenn dazu Senf weiter meint,
“Insofern könnte man dem Bankensystem das Verdienst zusprechen, dass es mit der Geldschöpfung zur Entfesselung der Produktivkräfte wesentlich beigetragen und sie in diesem Ausmaß erst ermöglicht hat. So wurde es auch oft würdigend dargestellt: Das Bankensystem habe die zum Wachstum erforderliche "Liquidität" bereit gestellt. Aber wie und mit welchen Konsequenzen, was den Einfluss und die Macht der Banken anlangt, wurde kaum jemals hin-terfragt. Und schon gar nicht, ob es dazu vielleicht Alternativen geben könnte, die weniger problembehaftet sind. Hans Christoph Binswanger ist einer der wenigen Ökonomen, die den Zusammenhang zwischen Geldschöpfung und Wirtschaftswachstum kritisch aufgezeigt haben.“, (S. 5),
so erkennt er doch nicht den Wesenskern der Aussage von Binswanger. Nämlich den, dass unserer Wirtschaft keine Tauschwirtschaft ist, sondern eine Investitionswirtschaft, in die zuerst Geld hineingesteckt werden muss, also die Produktion vorfinanziert werden muss, damit Produkte überhaupt erzeugt werden können. Erst jetzt, wo die zur Produktion notwendige Zeit ins Spiel kommt, wird Verschuldung und Kredit konsistent erklärbar. Der Kredit ermöglicht in einer Gesellschaft von Eigentümern den Zugriff auf fremdes Eigentum, ohne gleich eine Gegengabe hierfür zu haben, sondern um etwas schuldig zu bleiben. Schulden  machen zu können.
Dass „das Bankgeheimnis Geldschöpfung die Fragwürdigkeit verdeckt, dass die Banken für aus dem Nichts geschöpftes Geld von den Kreditnehmern Zinsen und Tilgung fordern - und bei Nichterfüllung auf das beliehene Eigentum der Schuldner - wie zum Beispiel Immobilien - zurück greifen und es zwangsversteigern lassen“ (S. 13), diese Fragwürdigkeit mag für die Zinsen gelten, aber sicher nicht für die Tilgung des Kredites.
Übrigends: Die Schöpfung von Kredit und Geld aus dem Nichts ist so rätselhaft nicht. Sie ist es nur dann, wenn man von einem Tauschmittel Geld als Dinggeld, als etwas Materielles ausgeht, das so einfach vorhanden ist. Und als Kredit verliehen werden kann. Aber Kredit ist zuerst einmal etwas Inmaterielles, ist eben Vertrauen, das man hat – oder nicht. Und so wie man Verdacht schöpfen kann, kann man auch Vertrauen schöpfen.
Mit Vertrauen kann man aber auch leichfertig umgehen: Hier ist die Ursache der Bankenkrise zu suchen.

4.
Die Produktion in einer hochkomplexen hierarchisch strukturierten arbeitsteiligen Industriewirtschaft in einer Gesellschaft mit privatem Eigentum ist ohne Zugriff auf fremdes Eigentum kaum möglich, womit etwas schuldig bleiben, Verschuldung, mit in die systemische Betrachtung einzubeziehen ist. Schulden hängen also zuerst einmal nicht am Geld, sondern am Kredit des Schuldners, an dem Vertrauen, das er genießt. Schulden und Kredit sind schon im vormonetären Bereich da, werden aber mit Bankenkredit und Geld erst logistisch breit einsetz- und handhabbar. So werden auch mit Vollgeld Schulden nicht verschwinden, sind sie doch ein konstituierendes Element unserer Investitionswirtschaft. Über einen Bank-Kredit werden diese Schulden auf der anderen Seite der Bilanz zu Geld. Und dort zu Geldvermögen, wo diese Schulden erst langfristig getilgt werden (können). Hohe Geldvermögen sind also Folgen langfristig abschreibbarer Finanzierung von Investitionen, wobei aber die Qualität zu hinterfragen ist. Eine mangelnde Qualität von so mancher Investition ist nicht zuletzt die Ursache der gegenwärtigen Bankenkrise.

Hier ist nun auch noch ein Wort zum Begriff „Geldumlauf“ zu sagen: Wenn mit dem Kredit die Erzeugung eines Gutes vorfinanziert wird, also hierfür Schulden gemacht werden, dann werden mit den Geldeinnahmen beim Verkauf des Gutes diese Schulden wieder getilgt. Da aber mit den Geld aus den Krediten die fertigen schon früher hergestellten Produkte anderer Produzenten gekauft werden, werden deren Schulden getilgt, und nicht die des Kreditnehmers. Dieser muss darauf warten, dass sich auch für sein Produkt ein Käufer findet, der für den Kauf einen neuen Kredit aufnimmt.

Hier liegt nun ein bedeutender Unterschied zu dem, was Bernd Senf in „Der Nebel um das Geld“ schreibt. Dort heißt es:
„Gehen wir also für die weiteren Überlegungen davon aus, daß die Zentralbank Geld nur an diejenigen Unternehmen ausgibt, die Gewinne erwarten lassen, weil sie den Gewinn als geeigneten Maßstab der wirtschaftlichen Leistungen eines Unternehmens betrachtet. Wie kann gewährleistet werden, dass die von den Unternehmen gegenüber der Zentralbank vorgetragenen Gewinnerwartungen nicht irgendwelchen Phantasien entspringen oder bewußt vorgetäuscht werden, nur um an das Geld he zukommen? Um dieser Gefahr vorzubeugen, werden die Unternehmen gleichzeitig der Geldausgabe verpflichtet, nach einem bestimmten Zeitraum das Geld an die Zentralbank wieder zurückzuzahlen. Mit anderen Worten: Das Geld wird ihnen nur für eine gewisse Zeit geliehen - als Kredit. Und für den Fall, dass die Unternehmen den Kredit nicht zurückzahlen, drohen ihnen Sanktionen, bis hin zum Konkurs. Zur Rückzahlung sind die Unternehmen normalerweise aber nur dann in der Lage, wenn sie durch den erfolgreichen Absatz der Produkte am Markt für entsprechende Rückflüsse von Geld sorgen. Die Verpflichtung zur Kreditrückzahlung zwingt also die Unternehmen zur Marktorientierung. Durch die Rückzahlung der Kredite fließt das Geld, das von Zentralbank in Umlauf gebracht wurde, wieder an die Zentralbank zurück, nachdem es die Produktion in den Unternehmen vorfinanziert hat, zu Einkommen bei den Haushalten geworden ist, als Nachfrage nach Konsumgütern von den Haushalten wieder verausgabt wurde, und als Erlös wieder bei den Unternehmen landet.
Abb. 70 stellt diesen Zusammenhang für die gesamte Volkswirtschaft (in unserem Beispiel Unternehmen A + B) dar, diesmal unter Berücksichtigung des Zeitraums, der zwischen Geldausgabe und Geldrückfluss liegt, t1 bezeichnet die erste Phase des "Zuflusses", t2 Phase des Rückflusses." (Seite 142ff)

Diese Ausführungen erwecken nun den Anschein, dass es sich um das gleiche Geld handelt, das ursprünglich mit dem Kredit aufgenommen wurde, mit dem wie mit einem Werkzeug herumgewerkt wird und dabei das Geld in der Zeit vorwärts fließt bis zur Tilgung des Kredits mit dem nämlichen Geld. Das aber ist so gar nicht möglich. Senf hält ja auch fest, dass , nachdem es (das Geld) die Produktion in den Unternehmen vorfinanziert hat, zu Einkommen bei den Haushalten geworden ist, als Nachfrage nach Konsumgütern von den Haushalten wieder verausgabt wird. Es werden also damit Produkte gekauft, die schon früher erzeugt wurden, und nun fertig am Markt sind.

Um nochmals zu sagen: Geld fließt in die Vergangenheit zurück, um die dort aufgenommenen Schulden zu tilgen. Geld ist daher immer ein Schuldentilgungsmittel.

All das gilt auch für Vollgeld. Auch mit Vollgeld müssen für die Produktion aufgenommene Kredite, also Schulden, getilgt werden. Auch Vollgeld läuft damit vom neuen Kreditnehmer zum alten Kreditnehmer zurück, läuft wie jedes andere Geld zurück. Es läuft damit nicht um und ermöglicht so eine neue Investition in eine Produktion. Diese erfordert eine neue Kreditaufnahme.

Auch Vollgeld ist nicht schuldenfreies Geld.

Montag, 22. Februar 2010

Mehr Gegenseitigkeit statt mehr Wettbewerb

Ernst Dorfner


Die derzeitige Wirtschaftstkrise, ausgelöst durch die Krise auf den Finanzmärkten, macht es noch deutlicher: Der Kapitalismus ist die Wirtspflanze des modernen Sozialstaates. Oder sarkastisch umgekehrt: Der Sozialstaat ist bemüht, die Lebenssäfte des kapitalistischen Baumes anzuzapfen, daran teilzuhaben. Es gilt: Dem Sozialstaat geht es nur dann gut, wenn es auch der kapitalistischen Wirtschaft gut geht. Politische Aussagen schwanken daher zwischen Worten, die auf der einen Seite aus dem Erkennen der pragmatisch unausweichlichen Zusammenhänge folgen, und auf der anderen Seite mit Worten, mit welchen die breite Volksmeinung -Stichwort "Bankensteuer" - erreicht werden kann. Was nun aber wirklich auf uns zukommt, liegt vollkommen im Dunklen, wie der Fall „Griechenland“ drastisch zeigt. Eben waren die Staaten noch der last ressort of credit, und schon hat sich auch das Vertrauen in den Staat als letzte Zufluchtsburg aufgelöst. Für die Politiker gilt, „denn sie wissen nicht, was sie tun“. Deshalb ist es umso dringlicher, auf der einen Seite die Gesundung unserer Geldwirtschaft auch dadurch zu unterstützen, dass der Sozialstaat – der ja eine Erfindung nicht der Sozialdemokratie, sondern des Konservativen Otto Bismarck ist - selbst „Luftwurzeln“ entwickelt, welche die "not"wendige Alimentierung durch die schwächelnde Kredit- und Geldwirtschaft zumindest verringern. Und im worst case unser ganzes Gemeinwesen zumindest nicht in den tiefen Abgrund stürzen lassen.
Ich greife hier auf einen Beitrag aus dem Jahr 1999 zurück, der an Aktualität – ganz im Gegenteil - nichts verloren hat.

21. Februar 2010



Mehr Gegenseitigkeit statt mehr Wettbewerb
Neue Ziele der gesellschaftlichen Strukturpolitik





Teil A.
1.
Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit Alternativen im Geldbereich - also mit dem, was als Talente-System, LETS, Tauschring, Zeittauschbörse bekannt ist. Dabei geht es nach deren Meinung darum, ein Defizit in unserer Geldordnung ‘von unten her’ zu überwinden. Dieses sieht sie im Liquiditätsvorteil des Geldes, welcher es dem Besitzer von nicht zum Konsum benötigtem Geld ermöglicht, den Zins zu erzwingen.

So zahlreich nun aber auch diese Initiativen sind, so bleiben sie doch überall in ihrer Aktivitätsgröße und -radius sehr beschränkt.
Warum?

2.
Die Initiativen verweisen gerne auf den Zinsanteil in den Preisen. Sie berufen sich dabei gerne auf Ziffern von Helmut Creutz: Anteil der Kapitalverzinsung an der Müllabfuhr: 12 Prozent; am Trinkwasserpreis: 38 Prozent, an der Kostenmiete im sozialen Wohnungsbau: 77 Prozent.

Dabei sollte auffallen, dass es sich bei obigen Waren und Leistungen um solche handelt, die ohne mittel- bis langfristig abschreibbare Investitionen gar nicht angeboten werden könnten.
Vergleichen wir damit das, was die Mitglieder von Tauschringen ihn ihren Marktzeitung ankündigen, dann sehen wir, dass es sich dabei nahezu durchgängig um Angebote und Nachfragen von und nach spontanen persönlichen Dienstleistungen, persönlichen Handreichungen, handelt. Was sich jedoch nicht findet, sind etwa Angebote von Wohnungen, oder allgemeiner, von Waren und Leistungen, die aus Investitionen hervorgehen.

Teil B.
3.
Hier muss nun klar werden, dass der Herstellung dieser Waren und Leistungen vorauseilend die Investition von eigenem und fremdem Geld erfordert. So investiert der Fabrikant in Einrichtungen, Vormaterialien, der Kaufmann in Verkaufs- und Lagerräume sowie in auf Lager gelegte Waren.
All das Angeschaffte - das Realvermögen - bildet sich auf der Aktiv- oder Vermögensseite der Unternehmensbilanz ab, während das Geld, das investiert wurde, sich auf der Passiv- oder Forderungsseite als Eigen - und Fremdkapital findet.
Verkürzt können wir das, was auf der Forderungsseite steht, als Schulden des Unternehmens bezeichnen. Diese Schulden beruhen zwar auf in ihrer Konsequenz unterschiedlichen Verträgen. Aber wie auch immer: Bei Abschluss dieser Verträge wird Geld hingegeben, solches aberspäter auch zurückgefordert. Ob Eigenmittel, ob Fremdmittel. Die Erfüllung der Forderungen geschieht in Geld.
Geld wird damit beim Kaufvorgang nicht einfach als Tauschmittel hingegeben - und geht dann bis zum nächsten Kauf in Wartestellung. Geld ist vor allem Schuldbegehungs- und Schuldtilgungsmittel. Die Schulden bestehen in der Zeit zwischen Begehung und Tilgung als genau definierte Menge.

4.
Auch die Lohnarbeit wird von Unternehmen vorfinanziert. Da also gewissermaßen die Lohnarbeiter auf Rechnung der Unternehmen kaufen, verkaufen und kaufen letztlich nur Unternehmen.
Das hat insofern große Bedeutung, weil damit die Lohnarbeiter jene Freiheit erlangen, die in dem Wort ”Stadtluft macht frei” zum Ausdruck kommt. Obwohl Lohnarbeiter schon vor Fertigstellung und Verkauf der Ware konsumieren können, sind sie niemanden etwas schuldig. Verschuldet haben sich an ihrer Stelle die Unternehmen.
Diese Freiheit wird aber auf der anderen Seite mit der Abhängigkeit von den Unternehmen erkauft.

5.
Diese Freiheit beinhaltet daher auch die vermeintliche Möglichkeit der Thesaurierung (Hortung) von Notenbankgeld bei den Nichtschuldnern. Die Rückführung dieses Geldes zu den Schuldnern, den Unternehmen, ist deshalb eine notwendige, jedoch eine Bedingung für ein Funktionieren der Geldwirtschaft, wie noch gezeigt wird.
Unternehmen horten jedoch normalerweise nicht, sondern reduzieren bei Liquiditätsüberschüssen ihre Fremdmittel, um sich die Zinszahlungen zu ersparen. Weiters wird vermittels Finanztransaktionen laufend Fremdkapital in Eigenkapital verwandelt, d.h. Geld nicht gehortet, sondern vernichtet. Der nötige Anreiz wird hierbei durch den steigenden Shareholder-value erzeugt.

6.
Damit richten wir unseren Blick auf die Unternehmen: Sie verschulden sich heute durch Kauf und entschulden sich morgen durch Verkauf. Dabei werden die ‘alten’ Schulden der Verkäufer durch ‘neue’ Schulden der Käufer ersetzt.

Damit aber entsteht stets ein Zeitvorgriff, der die Zukunft im Sinne der Vergangenheit vorherbestimmt. Geldschulden aus der Vergangenheit bedingen, dass in der Gegenwart wieder Geldschulden gemacht werden müssen, die in Zukunft wieder nur mit Geldschulden getilgt werden können.
Der industrielle Anbieter von Waren und Leistungen muss beim Verkauf seiner Waren Geld verlangen. Er muss dies tun, weil der Anbieter von Vorprodukten für die Tilgung seiner auf Geld lautenden Schulden eben Geld erwartet. Deshalb muss er als Käufer auch Schulden in Geld eingehen. Diese Schulden sind aber wieder nur in Geld abzulösen - und nicht in Talenten!

Diese zeitliche Verschränkung unserer Wirtschaft bewirkt somit, dass ein verinseltes Aussteigen aus diesem System sehr schwierig und nur in sehr speziellen Segmenten möglich ist.


7.
Die Schulden von gestern werden mit den Schulden von heute getilgt.
Das aber heißt auch, dass gesamtvolkswirtschaftlich die Menge der Verschuldung von heute mindestens so groß wie die Menge von gestern sein muss.
Da es dabei um etwas genau abzählbares geht, nämlich um eine bestimmte Menge ‘Geld’, gibt es einzelwirtschaftlich um eben dieses nachfragende Geld, das aus den neuen Schulden entspringt, einen Wettbewerb: Einen Wettbewerb um eine Menge m (1 + x), wobei x > 0 sein muss, um rechtlich das so vereinbarte wirtschaftliche Überleben zu sichern
Ist x < 0, kann die Verschuldung nur zum Nachteil des Eigenkapitals und damit der Verschuldungsfähigkeit aufgelöst werden.

8.
Gesamtvolkswirtschaftlich führt dies zu einem Nullsummenspiel, wenn die zeitlich folgende Verschuldungsmenge gegenüber der vorhergehenden nicht höher ist Nur wenn sie höher ist, entsteht jener Sicherheitspolster, der möglichst vielen Unternehmen ermöglicht, zumindest das wieder einzunehmen, was sie vorher ausgegeben haben .
Wirtschaften heißt ein Risiko mit der Zeit eingehen: ”Kann ich die gestern eingegangenen Schuldenmenge heute auch tilgen?” Dieser führt dazu, dass heute jeder möglichst viel Geld hereinbekommen will, um seine Schulden sicher tilgen zu können.

9.
Dieses Wechselspiel von Ver- und Entschuldung ist idealtypisch für die Rechtsperson ‘Unternehmen’, die alles, was sie kauft, auch wieder verkaufen will. Sie bringt durch Verschuldung (Wechselrediskontierung) Geld in Umlauf und zieht es durch Entschuldung wieder aus dem Umlauf

Auch das Geld, das der Staat für die Finanzierung seiner Aufgaben benötigt, bringen Unternehmer in Umlauf.
Dieses Geld wird heute vorwiegend durch Steuern und Abgaben auf die menschliche Arbeitskraft hereingebracht.

Teil C
10.
Diese Art der Finanzierung des Staates führt dazu, dass - umgerechnet auf die Stunde - die Arbeitskosten und die Netto-Arbeitseinkommen immer weiter auseinanderklaffen. Unabhängig davon, ob hier etwas vorfinanziert wird, oder ob die geleistete Arbeit des einen unmittelbar zeitgleich mit der wertgleichen Arbeit des anderen erfolgt und nur ausgetauscht, aber in Geld bezahlt wird. Beide zahlen sich gegenseitig gewissermaßen einen Hunderter, doch müssen beide die darauf anfallenden Steuern und Abgaben zahlen.
Ein Beispiel: Zwei Arbeiter erhalten jeweils rd. 17.000 öS pro Monat auf die Hand. Kaufen sie sich ihre Leistung gegenseitig ab, so ergeben sich unter Einrechnung der MWSt Ankaufkosten von rd. 39.000 öS. D.h. jeder muss 2,3 Stunden arbeiten, um sich eine Arbeitsstunde des jeweils anderen leisten zu können. Unter Einrechnung des 13. und 14 Gehaltes sowie der bezahlten Nicht-Arbeitszeiten wird dieses Verhältnis noch weit ungünstiger.

11.
Allgemein ist festzustellen, dass reine Dienstleistungen immer teurer, während Neuprodukte immer preisgünstiger werden. D.h. das, wo keine oder nur sehr kurzfristige Vorfinanzierungen dahinter stehen, wird immer teurer, das aber, wo hohe und mittelfristige Investitionen notwendig sind, wird immer preisgünstiger. Viele Dienstleistungen werden erst mit dahinter stehenden Investitionen leistbar, weil solcherart die damit eingesetzte menschliche Arbeit rationalisiert, d.h. auf möglichst viele Leistungskonsumenten aufgeteilt wird. Das aber heißt, dass die Konsumenten sich nur das leisten können, wo Vorfinanzierung notwendig ist und damit Zinsen anfallen, und nicht das, wo es kaum Vorfinanzierung gibt und damit kaum Zinsen anfallen.

12.
Wie schon unter Punkt 2 gesagt, werden von den Tauschring- Mitgliedern fast durchgängig Leistungen angeboten, denen keine Investitionen zugrunde liegen, oder wo sie als Abschreibungen nicht berücksichtigt werden, weil diese ‘Investitionen’ als Konsumausgaben des Staates oder der Familien getätigt wurden. Da vorauseilend nicht investiert wurde, fallen auch keine Zinsen an.
Dort also, wo keine unternehmerischen Bilanzen erstellt werden, wo also ‘nur’ der gegenseitige, der zwischenmenschliche Austausch von Wissen und Können als wirtschaftliches Handeln gesehen wird, wo sich etwa die reine Handreichung beim Schreiben eines Textes gegen die reine Handreichung beim Pflegen des Gartens tauscht, dort finden sich auch die Inseln, wo ein Ausstieg aus dem Geldsystem möglich scheint.

Teil D
13.
Aus diesen Einsichten gilt es das Wesen der Geldwirtschaft zu erkennen, die gekennzeichnet ist
• durch immer umfassendere räumliche und zeitliche Verschränkungen und Bindungen, die sich als formalisierte geldvermittelte Ver- und Entschuldungsprozesse ausdrücken, die erst die logistischen Voraussetzungen für den ungeheuren technischen Fortschritt in der Ausbeutung der Natur schaffen,
• wodurch nicht formalisierte und damit unmittelbare Verhaltensweisen, wie Solidarität und Reziprozität, immer mehr aufgelöst werden. Personelle Beziehungen, die aus einer Ansammlung von Menschen erst so etwas wie ‘Gesellschaft’ formen, werden durch eine Sache, werden durch Geld ersetzt.

Geld erlöst vom Bemühen, sich jenes persönliche Vertrauen zu schaffen, das Voraussetzung ist, am gemeinsamen Tisch Platz nehmen zu dürfen. Es ermöglicht persönliche Unabhängigkeit vom anderen in ihrer ganzen Ambivalenz: ”Ich bin dir nichts schuldig, du bist mir nichts schuldig”. Es ermöglicht aber auch jene Zusammenführung der individuellen Kräfte, die technischen Fortschritt möglich machen.

14.
Mit dem Instrument ‘Geld’ kann der Mensch ökologische und soziale Begrenzungen niederreißen. Diese Entgrenzung macht den Wohlfahrtsstaat möglich, aber auch notwendig. Damit sind wir aber von diesem Geldsystem in doppelter Weise abhängig. Einmal weil Geld die bisherigen sozialen Strukturen in all ihrer Ambivalenz immer stärker auflöst, zum zweiten aber auch deshalb, weil dieser Wohlfahrtsstaat nur über Steuern und Abgaben, die derzeit vornehmlich auf der Arbeit lasten, zu dem für seine Finanzierung nötigen Geld kommt.

15.
Wenn nun die reinen Dienstleistungen, wie sie in Tauschringen angeboten werden, heute immer weniger ausgetauscht werden, so liegt dies offensichtlich daran, dass Arbeitskosten und Arbeitseinkommen nicht mehr in einer akzeptablen Relation liegen, und nicht so sehr an einem Systemfehler unserer Geldordnung,

Die einseitige Belastung der menschlichen Arbeit durch Steuern und Abgaben wird heute heftig diskutiert. Der als ‘ökosoziale Steuerreform’ apostrophierte Vorschlag ist jedoch allein nicht geeignet, sowohl die ökologische als auch die soziale Frage zu lösen. Der Verbrauch an Natur und Umwelt darf nicht ‘weggesteuert’ werden, solange er die Steuerbasis für die Finanzierung des Wohlfahrtsstaates mit abgibt.
Soll dieser aber ‘weggesteuert’ werden, ist für den Sozialbereich eine andere Lösung zu suchen. Dabei ist zu bedenken, dass es gerade in Sozialbereich vielfach nicht um gnadenlose Rationalisierung, um Zeit-Effektivität geht, sondern um gegenseitige Zuwendung, Geduld, Zeit haben. Also um Gegenseitigkeit statt Wettbewerb.

16.
Es geht bei den Tauschringen nicht darum, ‘böses Geld’ durch ein ‘gutes Geld’ zu ersetzen. Auch Geld ist ambivalent. Für bestimmte Bereiche ist seine Logik nicht ersetzbar.
Es geht vielmehr um den Aufbau von einer zur Geldstruktur zusätzlichen Struktur, die sich für große Bereiche des Austausches von gegenseitiger Hilfe eignet, wie sie in weiten Bereichen des sozialen Zusammenlebens anfällt.
Tauschringe, Zeittauschklubs u. ähnliches mehr mögen hierfür einen ersten Ansatz bieten.

Da diese Ringe aber gerade dem Steuern- und Abgabenregime - und nicht dem Zinssystem -auszuweichen versuchen, geraten sie rasch in den Geruch der Schwarzarbeit. Deshalb ist von staatlicher Seite her eine grundsätzliche Entscheidung zu treffen, die erlaubt, Sozialarbeit auch in dieser Form zu organisieren.

Es stellt sich die strukturpolitische Frage, ob nicht derartiges organisiert werden muss, um eine ökosoziale Lösung unserer Wirtschaft zu erreichen.

Ernst Dorfner
2008 überarbeiteter Text aus 1999

Donnerstag, 21. Januar 2010

Vollgeld oder Regiogeld?


Ernst Dorfner



In einer Zuschrift werde ich folgendes gefragt:

„Vollgeld bedeutet Geldmonopol. Der Staat wäre der einzig Bevollmächtigte, Geld zu schöpfen. Genau hierum geht es in meiner Frage: Um die Umsetzung dieses Monopols. Ist dies machbar? Und wenn ja, unter welchen Bedingungen?

Wenn alternative Geldformen nicht unterbunden werden können, dann gibt es kein staatliches Schöpfungsmonopol. Das Hautproblem der Geldregulierer ist das Katz-und-Maus-Spiel zwischen dem Versuch, die Geldschöpfung zu begrenzen, und der Erfindung neuer Geldformen …

Wenn sie Vollgeld haben, wird der Versuch der Schaffung Alternativgelder noch stärker. Wie verhindert man dies?“


Dazu meine Antwort:

Die Frage kann ich nicht beantworten, weil sie sich nicht stellt. Sie kommt aus der Vorstellungswelt, Geld wäre ein Tausch(hilfs)mittel, das den Austausch von schon fertigen Produkten unter einer Gruppe von Wirtschaftssubjekten vereinfacht, und am Ende etwas ist, das - so wie das Teller beim Essen - nachdem alle Güter ausgetauscht sind. Da es in dieser Vorstellung nun aber keine zeitliche Dimension gibt und braucht, die Vergangenheit die Gegenwart und diese wieder die Zukunft nicht bedingt, kann dann in einer Vielzahl von zeitlich abgeschlossenen Kreisen auch eine Vielzahl von Geldformen zur Anwendung kommen.


So aber läuft die Sachlage nicht. Geld tritt nicht erst beim Tausch in Erscheinung, sondern schon bei der dem Tausch voraus liegenden Produktion. Diese ist zu aller erst ein unabdingbarer physikalischer Prozess in der Zeit mit einem zeitlichen Anfang, in dem von außen etwas Vorhandenes zugeführt wird, und einem zeitlichen Ende, in dem nach außen etwas damit Produziertes abgegeben wird. Dieser Prozess ist somit unabhängig von Geld und damit jeder ausgedachten Form eines Geldes.

Der für jede Produktion unumgängliche legale Zugriff auf fremdes Eigentum, insbes. auf die Lohnarbeit, führt zwangsläufig zur Verschuldung des Belieferten, des kaufenden Unternehmens gegenüber dem Lieferanten. Die dabei schon vormonetär entstehenden Schulden werden durch Geld erfüllt, welches der Produzent durch Kreditaufnahme – also Verschuldung bei einer Bank – erhält. Geld muss somit diese zeitliche Funktion auch erfüllen.


Die Schulden zwischen Belieferten und der Bank sind in einer ganz konkreten Form im Kreditvertrag qualitativ und quantitativ definiert, und später dann auch in dieser Form zu erstatten.

Die Schulden können somit nach Fertigstellung und Verkauf des Produktes nur mit Mitteln in der festgehaltenen Form getilgt werden, und nicht durch Irgendwas. Sind also Schulden in einem ganz konkreten Geld, etwa Euro, festgehalten, so sind diese auch wieder durch selbiges Geld zu tilgen, welches anderswo durch Kreditaufnahme, also aus einem neuen Kredit, neu entstanden ist.


Da nun aber Schulden eine zeitliche Dimension haben, heißt das, dass die Gegenwart bereits durch die Vergangenheit vorbestimmt wurde, und die Zukunft durch die Gegenwart vorbestimmt wird. Der Begriff „Kredit“ erhält erst in diesem Zusammenhang seine Bedeutung als etwas, das eine zeitliche Zusammenklammerung bildet. Der Kredit ermöglicht heute die Produktion von Waren für morgen gerade durch den Zugriff auf Produkte, die gestern erzeugt wurden und heute nach ihrer Fertigstellung verkauft werden. Kredit ist somit bereitgestelltes Vertrauen auf Erfüllung in Zukunft. Er ermöglicht erst die Vorfinanzierung u.a. von Lohneinkommen in jeder neuen Periode - und nicht die Verteilung der Einnahmen aus dem Verkauf der in der Vorperiode erzeugten und heute fertigen Waren. Ohne neue Lohneinkommen in der laufenden Periode könnten ja die Konsumwaren aus der Vorperiode gar nicht gekauft werden. Das Geld fließt somit nicht vorwärts, sondern zurück zur Tilgung alter Schulden. Was vorwärts fließt, sind die immer weiter steigenden Schulden, wobei die alten Schuldner durch neue Schuldner abgelöst werden (müssen).


Dieses Vertrauen kann nun aber auch missbraucht werden, eine Erfüllung in Zukunft vorgetäuscht werden, wo sie nicht gegeben ist. Wo mit einem „leeren“ Kredit, einer leeren Vertrauens-Blase Geld entsteht, mit dem auf bereits fertige Produkte zugegriffen werden kann, ohne dass in Zukunft das Vertrauen durch eine Gegenleistung erfüllt wird.

Ein breites Tor für solches Tun eröffnet nun aber die Möglichkeit der eigenständigen Schöpfung von Geld durch die Geschäftsbanken aus Nichts. Sie stehen nicht vor der Entscheidung, ihre Einlagen so oder anders zu verwenden, sondern können dies durch Geldschöpfung sowohl so als auch anders machen.

Dem soll - nicht allein, aber auch - mit Vollgeld entgegengetreten werden, indem die Geldschöpfung der Geschäftsbanken unterbunden wird.



Der Eintritt in diesen Zeitprozess mit einem anderen, alternativen Geld, ist schwierig bis unmöglich. Es ist wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel. Immer wenn der Hase ankommt, ist der Igel schon da. Selbst die Semmel, die aus vor der Tür geerntetem Getreide hergestellt wird, hat diese räumliche und zeitliche Dimension. Steckt doch in ihr auch ein winzig kleiner Anteil der Herstellung von Stahl für den ehedem gebauten Backofens. Stahl, der vor noch längerer Zeit in Form von Eisenerz von Übersee geliefert worden ist.

Auch die Tauschringe brauchen für Zukäufe von außen das reguläre Geld, also Euro. Alternatives Geld kann deshalb immer nur in einem begrenzten räumlichen Bereich eingesetzt werden. Deshalb wird alternatives Geld oder Regiogeld in den großräumigen, für unsere Zivilisation unumgänglichen Infrastrukturbereichen (Energie, Wasser und Abwasser, Verkehr, Telekommunikation, Gesundheit, Bildung) nicht wirklich angenommen werden. Gerade diese Bereiche sind ja vordem aus hohen Investitionen von Geld entstanden, und sind die damals ausgereichten Kredite heute in Geld zu tilgen. Geld, das aus dem Verkauf des Erzeugten oder Bereitgestellten eingenommen wird. Das ganze funktioniert also nur mit einem einheitlichen Mittel, welches in vielen Ästen zu den unterschiedlichen Fertigungen und Nutzung führt.


Das aber heißt, dass alternatives Geld nicht verhindert werden muss, sonder sich – zumindest im maßgeblichen Ausmaß – selbst verhindert. Das staatliche Monopol stellt sich von selbst ein, da wir mit alternativen Geldformen nicht weit kommen können. Denken wir doch an die Vielfalt unserer privaten monatlichen Zahlungen an die unterschiedlichsten Stellen.


Goethe wusste: „Am Gelde hängt, zum Gelde drängt doch alles“ Es ist jenes Etwas, das eine gewaltigen Vielfalt von Arbeitsleistungen und den damit zu verwirklichenden Wünsche auf eine für alle gleichen Punkt ausrichtet, nämlich sich Geld zu beschaffen. Ich meine, dass es diese unsichtbare Hand des Geldes ist, die unsere moderne Zivilisation mit all ihren Vor und Nachteilen erst möglich machte. Aus der individuelle Operationen erst zu der Co-Operation führte, die Fertigungen von Großanlagen durch Zusammenarbeit erst organisierbar machte. Auch wenn die Geldgier ein Exzess ist, so manifestiert sich darin doch der Treibsatz unserer modernen hocharbeitsteiligen Struktur unserer Zivilisation.


Ich fürchte, dass dies auch im Kreis der UnterstützerInnen von Vollgeld nicht immer so gesehen wird. Ich darf deshalb einmal mehr Keynes zitieren, der im Vorwort zur englischen Ausgabe seiner Allgemeinen Theorie schreibt:

„Die Schwierigkeit liegt nicht so sehr in den neuen Gedanken, als in der Befreiung von den alten, die sich bei allen, die so erzogen wurden wie die meisten von uns, bis in die letzten Winkel ihrer Geistesart verzweigen.“

Die Bedeutung von Vollgeld aber wird erst aus dieser Sicht wirklich erfassbar.





Donnerstag, 31. Dezember 2009

The Invisible Hand of Money SICHTBAR MACHEN




Die Geldschöpfung der Geschäftsbanken:
Bestritten, nicht verstanden oder ideologisch fehlinterpretiert?



Ernst Dorfner


„Mit dem Wissen von heute haben wir die dem Finanzsystem zugrunde liegenden Spielregeln fundamental infrage zu stellen – auch wenn sie bis zum Ausbruch der Finanzmarktkrise im Rang unbestreitbarer Glaubenssätzen standen.“
So Wilfried Stadler in einem Kommentar in „Die Presse“ vom 27.11.2009 (1). Aber was ist nun mit dieser fundamentalen Infragestellung? Ist dahingehend schon etwas geschehen, zumindest andiskutiert? Man führt zwar„Debatten über Krisendebatten“ (OÖN vom 05.12.09): Wer ist schuld: Der Markt oder die Politik? Marktversagen oder Politikversagen? Der Beitrag von Stadler ist eine rühmliche Ausnahme. Wenn etwas mit unserem Geld- und Finanzsystem nicht in Ordnung ist, so sollte es doch naheliegend sein, vor allem über dieses zu reden. Die Frage aber, was denn Geld überhaupt ist, wie es entsteht, wie es geschöpft wird, und welche Folgen diese Schöpfung hat, darüber herrscht weiterhin Stillschweigen, "Man sieht nur das im Lichte, das im Dunklen sieht man nicht.“ Im Lichte aber steht mehr Ideologie als fundamentale Analyse. Und die baut wiederum auf eine Volkswirtschaftslehre auf, die mit Geld und seiner Bedeutung für die moderne Wirtschaft nichts anzufangen weiß. „Kurz: es kann, wenn man der Sache auf den Grund geht, in der Wirtschaft der Gesellschaft nichts Bedeutungsloseres geben als Geld; außer insofern es ein Mittel zur Ersparnis von Zeit und Arbeit ist. Es stellt sich als ein Mechanismus dar, dasjenige in Ruhe und Bequemlichkeit zu tun, was auch ohne es gleichfalls, wenn auch weniger ruhig und bequem, getan würde; und wie viele Mechanismen übt auch dieser seinen besonderen Einfluss nur in Fällen der Unordnung aus. Die Einführung des Geldes greift keineswegs in den Verlauf irgendeines der (...) Wertgesetze störend ein.“ Von dieser Meinung von John Stuart Mill (Grundsätze der polit. Ökonomie) geht die heutige Lehre noch immer aus. Es ist nur ein angehängter Mechanismus, der die Grundsätze der Suche nach dem Marktgleichgewicht nicht berührt, jener Harmonielehre, nach der die unsichtbare Hand des Markt alles zum Besten regelt. Nicht erkannt wird aber, dess es die unsichtbare Hand des Geldes ist, welches das logistische Zusammenspiel in einer hocharbeitsteiligen Wirtschaft mit tief gestaffelter Produktionshierarchie erst möglich macht.

Es stellt sich die Frage, ob es Unvermögen oder Unwille ist, die Annahmen der Schulwissenschaft in Frage zu stellen?

Es ist allseits Unwille. Bei einer fundamentalen Infragestellung würden ja Interessen berührt, die gut etabliert sind. Das, was die Kritiker des Neoliberalismus aufzeigen, ist ja nicht ganz von der Hand zu weisen. Statt einem eher verschwörungstheoretischen Ansatz wäre jedoch vielmehr eine gründliche Analyse unserer modernen Geldwirtschaft verlangt.
Der Unwille aber findet sich nicht nur bei den monetären Profiteuren des Gegebenen, sondern auch bei denen, deren – nach Außen zumindest vorgezeigte - Interessen entgegen gesetzter politischer Natur sind. Es wären ja auch Fragen zu stellen, welche die Projektion von den Bösen gegen die Guten betreffen könnte, wie es mit der Kritik an der neoliberalen Ideologie leicht vermittelbar ist. Und auch politische Früchte zeitigt.
Unvermögen aber ist es, wenn einerseits die Schuld an der Krise der Hegemonie des Neoliberalismus zugeschrieben wird, ohne andererseits zu erkennen, dass das eigene Wissen über die Probleme von eben dieser Hegemonie in Form der neoklassischen Schulwissenschaft getragen wird. Die Analyse des Ist-Zustandes wird mit Mitteln betrieben, die vom Ist-Zustand bereitgestellt werden. Damit wird das zur Spiegelfechterei.


Ich habe den Beitrag von Stadler einem Mitarbeiter der Arbeiterkammer Linz, F. G., studierter Ökonom, zusammen mit Beiträgen von mir (www.ernst-dorfner-7.blogspot.com ) zukommen lassen, der mir dann in einer Antwort (2) schreibt:
„…, wären die Einkommen so gleich verteilt, dass die Haushalte alles verfügbare Einkommen ausgeben und nichts sparen würden, Staat und Unternehmen müssten keine Schulden aufnehmen“.

Das ist eine vom neoklassischen Gleichgewichtsgeist getragene Vorstellung einer stationären Wirtschaft, die sich immer nur am gleichen Niveau reproduziert. Und in der schon fertige Produkte mit Hilfe des Geldes getauscht werden. Nur dazu braucht es hier Geld: Zum Tausch fertiger Produkte. In der Realität geht es jedoch vielmehr um die Möglichkeit, in einer hocharbeitsteiligen Gesellschaft mit privatem Eigentum überhaupt etwas fertigen zu können, was auch den Zugriff auf fremdes Eigentum voraussetzt. Geld dient hier als Tilgungsmittel von Schulden, die ja schon im vormonetären Bereich entstehen. Es geht also zuerst einmal um Einkommensentstehung und nicht um Einkommensverteilung. Und damit um - von Periode zu Periode immer weiter steigende - Verschuldungsbereitschaft vorwiegend der Unternehmen.
Lohneinkommen entsteht erst aus dieser Vorfinanzierung in jeder neuen Periode - und nicht aus der Verteilung der Einnahmen aus dem Verkauf der in der Vorperiode erzeugten und heute fertigen Waren. Ohne neue Lohneinkommender laufenden Periode könnten ja die Konsumwaren aus der Vorperiode gar nicht gekauft werden.
Lohneinkommen entsteht erst aus dieser Vorfinanzierung in jeder neuen Periode - und nicht aus der Verteilung der Einnahmen aus dem Verkauf der in der Vorperiode erzeugten und heute fertigen Waren. Ohne neue Lohneinkommen in der laufenden Periode könnten ja die Konsumwaren aus der Vorperiode gar nicht gekauft werden. Das Geld fließt somit nicht vorwärts, sondern zurück zur Tilgung alrter Schulden. Was vorwärts fließt, sind die immer weiter steigenden Schulden, wobei die alten Schuldner durch neue Schuldner abgelöst werden (müssen).

Wobei Lohneinkommen nicht nur bei der Konsumgüterfertigung entstehen, sondern dieser vorgelagert bei der Fertigung von Investgüter. Beide halten dann nach Konsumgütern Nachfrage. Diese wird also durch Kreditaufnahmen für Investitionen vergrößert. Diese Einsicht veranlasste Joan Robinson zur Feststellung: „Der Überschuss der Einnahmen aus dem Verkauf von Konsumgütern über deren Lohnsumme ist gleich der Lohnsumme im Investitionssektor. Die Gewinnspanne beim Verkauf der Konsumgütern hindert die Arbeiter daran, ihr gesamtes eigenes Produkt zu konsumieren und ermöglicht den Arbeitern im Investitionssektor, am Konsum teilzuhaben.“ (J. R., Über Keynes hinaus, 1967, S. 99). Um das richtig zu interpretieren, sollten diese Aussagen unter Beachtung der oben beschriebenen zeitlichen Abfolge gelesen werden

Wie Robinson noch festhält, gilt dies auch für eine Wirtschaft, in der alles gemeinschaftliches Eigentum ist. Dann aber ist allerdings zu fragen, wer die Verfügungsgewalt über dieses Eigentum haben muss, damit ein gezieltes Investieren möglich wird.

Damit geht es um die fortwährende Akkumulation von Produktionsvermögen, ohne der das Niveau der verfügbaren Konsumgüter weit unter dem heutigen liegen würde. Insofern ist die Debatte um die Einkommensverteilung stark ideologisch eingefärbt. Es geht nicht nur um Einkommen, die aus der Konsumgüterfertigung (einschl. Erhaltungsinvestitionen) kommen, sondern auch um solche, die aus zusätzlichem – neu geschöpften - Krediten stammenden Geld für Investitionen hervorgehen. Die daraus resultierende höhere monetäre Nachfrage nach den schon fertigen Konsumgütern erlaubtt dort Preise, die über den Gestehungskosten liegen und damit einen Gewinn möglich machen.

Die Kredit- und Geldschöpfung ist damit nicht nur Voraussetzung für die Akkumulation von Realvermögen, sondern auch von Geldvermögen. Das ist auch zeitlich zu verstehen.

Der Missbrauch dieser gesetzlich zulässigen Kreditschöpfung durch die Geschäftsbanken, mit der zwar eine Akkumulation von Geldvermögen durch eine Art Falschgeld, aber nicht im gleichen Ausmaß von Realvermögen betrieben wurde und wird, ist aber der Kern der gegenwärtigen Finanzmarktkrise. Eben dieses ist zu verstehen, und nichts anderes. Es geht nicht nur um die Quantität der Kredite sondern auch und vor allem um deren Qualität.

Dieser Zusammenhang geht aber dann weitgehend unter, wenn diese Geldschöpfung so wie bei G. als reine bankinterne Mechanik zur Schaffung von Tauchmittel beschrieben wird, die mit einer Akkumulation von Produktionsvermögen nichts zu schaffen hat:
„Der Beitrag von Wilfried Stadler ist interessant, es sollten jedoch die unterschiedlichen Formen der Geldschöpfung auseinander gehalten werden. Die Buchgeldschöpfung, wie du sie eingangs beschreibst, hat nicht unbedingt was mit den Exzessen auf den liberalisierten Finanzmärkten zu tun, sondern ist auch normal bei „Dienstleistungsbanken“, die Sparguthaben einsammeln und damit Kredite weiter geben. Du hast 1.000 Geld, legst sie auf ein Sparbuch, die Bank vergibt sie weiter an einen Kreditnehmer. Schon hat sich das Buchgeld vermehrt, du hast eine Forderung an die Bank, diese hat eine Geldforderung an den Kreditnehmer.“

Sie gilt also als „normal“, diese Buchgeldschöpfung. Aber ist das nicht gerade die Problematik, dass etwas als normal gilt, was dringend in Frage zu stellen ist? Einmal mehr ist es das Lehrbuchwissen des neoklassischen Mainstreams, wie es nahezu überall vermittelt wird. Dabei wird die Meinung unreflektiert weitergegeben, dass die Deckung der Forderung gegen die Bank so irgendwie durch den ursprünglich eingelegten 1000er gewährleistet ist, wie auch folgender Satz nahe legt:
„Die Notenbank kann diese Geldschöpfung eindämmen, indem einen Teil der Guthaben zinslos bei ihr zurückgelegt werden müssen (Mindestreservenpolitik).“
Bei einer üblichen Mindestreserve von 2% kann diese Eindämmung kaum mehr etwas bewirken. Die Geldschöpfung liegt so faktisch in den Händen der Geschäftsbanken. Der Satz „Letztendlich könnte die Notenbank die Geldschöpfung auch selbst machen und daran verdienen.“ bestätigt dies ja indirekt. Offen bleibt dabei, warum die Notenbank dies nicht tut. Sie kann auch Kredite aus dem Nichts schöpfen. nd nichs anderes tun die Geschäftsbanken.

In der buchhalterischen Wirklichkeit ist aber diese Gewährleistung nicht durch die ursprüngliche Einlage gegeben – die sich dann ja auch auf der Passivseite der Bankbilanz finden müsste -, sondern über die Forderungen und deren Qualität auf der Aktivseite der Bankbilanz. Und damit über eine sinnvolle Akkumulation von Produktivvermögen. Dabei geht es um die ausgereichten Kredite und kreditähnlichen Forderungen insgesamt, nicht aber über einen ganz konkreten Kredit. All das aber ist aus den Worten von G. nicht herauszulesen.

Überhaupt meine ich, dass eine nicht unwesentliche ideologiebestimmte Fehlinterpretation der Bankenbilanz vorliegt, wenn es heißt:
„Um das mangelnde Vertrauen (geschädigt durch toxische Papiere in den Bilanzen) wieder herzustellen, hat der Staat im Bankenhilfspaket Eigenkapital zugeschossen (in Österreich in einer Form, die schieflastig zuungunsten der SteuerzahlerInnen und zugunsten der Banken ist und damit zu deren Aktionäre) als sog. Partizipationsscheine (um das Vertrauen im Bankensektor wieder her zustellen – Interbankenmarkt) und zusätzliche Haftungsübernahmen (Staat garantiert zivilrechtlich den Bankgläubigern für die Bankschulden bis zu einer bestimmten Höhe einzustehen.)“
Die Partizipationsscheine legen jedoch nicht die Banken auf, und der Staat erwirbt sie, sondern der Staat legt sie auf, und die Banken erwerben sie. Die Partizipationsscheine sind damit nichts anderes als eine besondere Form eines Kredites. Mit dem dabei von den Banken neu geschöpften Geld erwirbt der Staat die faulen Forderungen der Banken (Kredite) und ersetzt sie durch gesunde Forderungen gegen sich. Der Staat saniert so die linke Seite der Bankenbilanz, und erhält dafür ein faules Ei.

Dies kommt dem Vorschlag mit den „bad banks“ gleich. Was jedoch G. hierzu meint, ist nicht nachvollziehbar: „Bad banks sind natürlich Tricksereien, damit die Geschäftsbank bilanzieren kann, die notwendige Eigenkapitalquote aufweist und wieder vertrauenswürdig wird.“
Wohl sind bad banks Tricksereien. Bei diesem Vorschlag geht es aber nicht um die Eigenkapitalquote (Passivseite), sondern um die Sanierung der Aktivseite der Bilanz, wie oben beschrieben. (4)
Eine Erhöhung des Eigenkapitals kann durch Umschichtung von Fremdkapital hin zu Eigenkapital erfolgen, bis dieses dann unter Einhaltung des Kreditwesengesetzes soweit abgewertet werden kann, dass die Bilanz der Bank nicht mehr schief ist. Die Passivseite der Bilanz wird somit auf die Höhe der Aktivseite verkürzt. Übrigens ein Vorschlag der Österr. Nationalbank (OeNB). Mit der Drohung, dass der Staat die Bank nicht auffängt, könnte er gegen die grossen Geldvermögenshalter durchgesetzt werden, die mit einer Pleite der Bank im Extremfall einen Totalverlust hinzunehmen hätte.
Diese Umschichtung von Fremdkapital auf Eigenkapital kann auch der Staat machen, soferne er auf entsprechende Rücklagen zurückgreifen kann. Wenn - odere weil - dieses aber nicht der Fall ist, kann er diese Umschichtung erst nach Aufnahme eines Bankkredits machen, und dann mit dem so geschaffenen Geldmitteln soweit Anteile an der Bank erwerben, dass die Eigenkapitalquote wieder erfüllt wird. Dass kann bis zur Verstaatlichung der Bank gehen. Steigen dann die Aktienkurse wieder, kann der Staat irgendwann seinen Anteil verkaufen und mit dem Erlös nicht nur seine Kreditschulden tilgen sondern darüber hinaus noch einen Gewinn machen. Allerdings ist diese Möglichkeit - zumindest in Österreich nicht genutzt worden. Wohl auch deshalb, weil Politiker aller Couleurs und ihre ökonomischen Berater die Bedeutung des Geldes als logistisches Instrument unserer Wirtschaft nicht wahrnehmen (wollen). Damit hat die folgende Aussage von Hajo Riese seine bisherige Nonchalence verloren.

"Denn er (Marx) steht diesbezüglich nur für die mangelnde Einsicht der klassischen Ökonomie insgesamt. Das aber hat für uns, die wir im Kapitalismus leben, insofern etwas Beruhigendes, als dieser nach seinen eigenen Gesetzen funktioniert, eben aber nicht den Einsichten von Wissenschaftlern folgt. Deshalb ist er auch dann funktionsfähig, wenn die Einsichten. unzureichend oder falsch sind. Dem Kapitalismus ist es höchst gleichgültig, was die Menschen einschließlich der Wissenschaftler von ihm denken. Sie bleiben dessen ungeachtet seinen Funktionsbedingungen ausgeliefert. Und das ist die List der Geschichte, die wir zu akzeptieren haben.“

Hajo Riese, Geld: Das letzte Rätsel der Nationalökonomie,
in Schelkle/Nitsch, Rätsel Geld, S. 61, 1996

Die Haftungsübernahme bedeutet, dass der Staat die Auszahlung von Einlagen in Cash sichert. Das ist damit vor allem eine Beruhigungsmaßnahme, um einen Run auf die Banken zu vermeiden.

„Der Staat ist nicht automatisch creditor of last ressort, sondern weil er Banken wegen der beträchtlichen Auswirkungen auf die reale Wirtschaft nicht pleite gehen lassen will.“
Dieser Satz muss wohl richtig heißen: Der Staat ist nicht automatisch creditor of last ressort, sondern erst dann, wenn er die Banken wegen der beträchtlichen Auswirkungen auf die reale Wirtschaft nicht pleite gehen lassen will.

Vollkommen in die neoklassiche Sackgasse gerät dann aber G., wenn es heißt:
„Geldvermögen und Schulden hängen zusammen, wären die Einkommen so gleich verteilt, dass die Haushalte alles verfügbare Einkommen ausgeben und nichts sparen würden, Staat und Unternehmen müssten keine Schulden aufnehmen. Der Staat müsste weniger Schulden aufnehmen, wenn er diejenigen, die viel sparen können höher besteuern würde.“

Hier ergibt sich ein unterschiedlicher Sinn, je nachdem, wie die Interpunktation verbessert wird. Eins aber sollte klar sein, dass diese Aussagen, insbesondere was „die Schulden“ betrifft, ideologisch hinterlegt ist: Dass Geldvermögen und Schulden zusammenhängen, zeigt doch jede Bankenbilanz. Jedem Euro als Guthaben steht ein Euro als Schuld gegenüber. Auch dann, wenn die Haushalte alles verfügbare Einkommen ausgeben, müssen die Unternehmen Schulden aufnehmen. Jede Unternehmensbilanz zeigt das doch. Und müssen zu den vorhandenen Schulden zusätzliche Schulden dazu kommen, damit es ein Wachstum der Realwirtschaft und des Geldvermögens geben kann. Wie schon Karl Marx bemerkt hat: „Die Frage ist nicht: wo kommt der Mahrwert her; sondern: wo kommt das Geld her, um den Mehrwert zu versilbern,“ (Das Kapital II)

Letztlich bestätigt G. mit seinen Aussagen die Notwendigkeit, die Wilfried Stadler verlangt: „Mit dem Wissen von heute haben wir die dem Finanzsystem zugrunde liegenden Spielregeln fundamental infrage zu stellen – auch wenn sie bis zum Ausbruch der Finanzmarktkrise im Rang unbestreitbarer Glaubenssätzen standen.“
Dabei ist das Wort „Glaubensätze “ vielleicht auch in einem abgewandelten Sinn zu verstehen: Man lässt auch von Seiten der Arbeitnehmervertreter den Menschen etwas glauben, was bei ihnen ankommt, anstatt eine wirkliche Infragestellung anzugehen: Es geht viel mehr um Ideologie. Mit dem Wissen der Neoklassik und mit Ideologie werden jedoch die Probleme am Finanzmarkt nicht beseitigt werden können.





Anhang

(1) diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/524503/index.do?parentid=0&act=2&isanonym=null#kommentar0

(2) in Orginalfassung

Lieber Ernst,
danke für die Unterlagen.
Darf ich mir ein paar anmerkungen erlauben?
Der beitrag von Wilfried Stadler ist interessant , es sollten jedoch die unterschiedlichen formen der geldschöpfung auseinander gehalten werden.

Pkt 1Die buchgeldschöpfung, wie du sie eingangs beschreibst, hat nicht unbedingt was mit den exzessen auf den liberalisierten finanzmärkten zu tun, sondern ist auch normal bei „Dienstleistungsbanken“, die sparguthaben einsammeln und damit kredite weiter geben. Du hast 1.000 geld, legst sie auf ein sparbuch, die bank vergibt sie weiter an einen kreditnehmer. Schon hat sich das buchgeld vermehrt., du hast eine forderung an die bank, diese hat eine geldforderung an den kreditnehmer.
Die notenbank kann diese geldschöpfung eindämmen, indem ein teil der guthaben zinslos bei ihr zurück gelegt werden müssen (mindestreservenpolitik) (letztendlich könnte die notenbank die geldschöpfung auch selbst machen und daran verdienen).

Die forderungen sind zivilrechtlich geschützt (nicht durch die eigentumsgarantie in der verfassung resp. im staatsgrundgesetz), also durch das ABGB und sind beim Zivil-bzw. handelsgericht einzuklagen. Wenn allerdings keine entsprechenden vermögenswerte mehr da sind, auf die zugegriffen werden kann, hilft alles recht nicht.

Um das mangelnde vertrauen (geschädigt durch toxische papiere in den bilanzen) wieder herzustellen, hat der staat im bankenhilfpaket eigenkapital zugeschossen (in Ö in einer form die schieflastig zuungunsten der steuerzahlerInnen und zugunsten der banken ist und damit zu deren aktionäre) als sog. Partizipationsscheine (um das vertrauen im bankensektor wieder her zustellen – Interbankenmarkt) und zusätzliche haftungsübernahmen (staat garantiert zivilrechtlich den bankgläubigern für die bankschulden bis zu einer bestimmten höhe einzustehen).
Der staat ist nicht automatisch creditor of last ressort, sondern weil er banken wegen der beträchtlichen auswirkungen auf die reale wirtschaft nicht pleite gehen lassen will..
Bad banks sind natürlich tricksereien, damit die geschäftsbank bilanzieren kann, die notwendige eigenkapitalquote aufweist und wieder vertrauenswürdig wird. Letztendlich die frage der gesetzlichen und vertraglichen gestaltung, wie weit die steuerzahler zum handkuss kommen.

Pkt. 2 ) ganz wesentlich, dass mit den aufgenommenen krediten normalerweise wieder vermögenswerte geschaffen werden.
Geldvermögen und schulden hängen zusammen, wären die einkommen so gleich verteilt, dass die haushalte alles verfügbare einkommen ausgeben und nichts sparen würden, staat und unternehmen müssten keine schulden aufnehmen. Der staat müsste weniger schulden aufnehmen, wenn er dienjenigen, die viel sparen können höher besteuern würde (die derzeit herrschende neoliberale ideologie geht allerdings einen anderen weg – entlastung der besserverdiener)

Zur bilanz: geldvermögen steht auf der linken , der Aktivseite der bilanz (neben anderem vermögen), auf der rechten, der passivseite ist ersichtlich, wie die finanzierung erfolgt (eigenkapital oder fremdkapital) ME entsteht geldvermögen nicht kreditaufnahmen, sondern die immer ungleicher werdende einkommensverteilung (besonders ungleich bei vermögenseinkommen) und damit entsprechende sparquoten (die wiederum einen ausfall im wirtschaftskreislauf an nachfrage bedeuten).
Der staat schafft nicht geldvermögen durch deficit spending, sondern weil zuwenig gegen die ungleicher werdende verteilung eingreift bzw. die unternehmen zuwenig investieren, damit sie das geld dafür aufnehmen würden.

Pkt 3) Nicht durch die aufnahme von krediten hat der staat notleidende banken unterstützt, sondern durch eigenkapital (partizipationsscheine ) und haftungsübernahmen.

Pkt. 4) Es ist richtig, dass die finanzmärkte über den weg kreditfinanzierten konsumausgaben (und durch preisanstiege bei immobilien und aktien ist die kreditwürdigkeit der schuldner enorm gestiegen9, die private nachfrage stimulierten. Weil in wichtigen ländern (v. a. USA )aufgrund niedriger einkommenssteigerungen die nachfrage zu gering ist)
Ein grober fehler, wie sich spätestens 2007 nach zusammenbruch der immoblase zeigte und eine massive verschärfung in die andere richtung auftrat: die immobilien und die aktienpakete , deren preise verfielen, taugten nicht mehr zur sicherung der aufgenommenen kredite und millionen gingen pleite.


(3)

Siehe etwa:
heise.de/bin/tp/issue/r4/dl-artikel2.cgi?artikelnr=31763&mode=html&zeilenlaenge=72
Chance für Systemwandel
Können Sie in der obersten Oberschicht der EU und der Bundesrepublik ähnliche Spannungen ausmachen?
Hans Jürgen Krysmanski: Selbstverständlich. Wo Macht sich konzentriert, gibt es auch Machtkämpfe. Man denke an die Fehden des Feudalismus. Wenn man etwas verändern will, muss man sich mit diesen Konfliktstrukturen und Spannungen beschäftigen. Und dabei ist es ganz wichtig, zwischen dem Geldadel, den Superreichen, auf der einen Seite und ihren Funktionseliten – den Konzern-, Finanz- und Militäreliten, der politischen Elite, den Wissens-, Verwaltungs-, Wohlfühleliten – auf der anderen Seite zu unterscheiden. Mag der Geldadel seine teilweise völlig irrationalen Konflikte und Eitelkeiten doch unter sich austragen. Eine Veränderung des Systems ist von denen ohnehin nicht zu erwarten. Was natürlich nicht ausschließt, dass es auch unter den europäischen Superreichen interessante, verantwortungsvolle Personen und Gruppen gibt.
Aber meiner Ansicht nach besteht die Chance für einen Systemwandel eher darin, die in der gegenwärtigen Krise durcheinandergerüttelten Funktionseliten, welche den Herrschaftskomplex ja in stillen Stunden ganz gut durchschauen (und auch in der ständigen Gefahr stehen, degradiert zu werden), dazu zu bewegen, über ihre eigene Rolle in diesem System nachzudenken. Sie kennen sich ja aus im Milieu. Sie können mit der vorhandenen Wissensmaschinerie umgehen. Sie könnten sich eigentlich in der großen Tradition der Aufklärung wiederfinden, die den Feudalismus zu Grabe trug. Irgendwie brauchen wir für eine demokratische, wissenschaftliche, planvolle Überwindung von Klassenherrschaft auch die Expertise dieser Funktionseliten. Und gerade mittels der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien könnten sie dazu beitragen, ein globales Netzwerk friedlicher Assoziationen, Projekte, Organisationen usw. aufzubauen, in dem, wie es im Kommunistischen Manifest heißt, die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.

Zuguterletzt: Wie wird es weitergehen? Werden die Guten siegen und die Bösen unterliegen?

Hans Jürgen Krysmanski: Ich hoffe, dass diejenigen, die sich selbst mittels Medienmacht zu Guten stilisieren, denen, die endlich böse auf dieses ausbeuterische System geworden sind, unterliegen werden.

(4)
Konrad Adenauer Siftung  
http://www.kas.de/wf/de/71.7114/

Welche Rolle spielt Eigenkapital für Banken?

Banken benötigen – wie jedes Unternehmen – eigenes Kapital, um überhaupt Bankgeschäfte betreiben zu dürfen. Benötigt wird dieses Eigenkapital, um potentielle Verluste, die durch einen Kreditausfall entstehen können, abzufedern, die Zahlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten und als Geschäftspartner von anderen Banken anerkannt zu werden.
Analog zu Unternehmen sind auch Banken bestrebt, ihren Umsatz zu maximieren. Das tun sie, indem sie ihr Kreditgeschäft ausweiten, so dass dem einzelnen Kredit immer weniger Eigenkapital gegenübersteht. Mit der zunehmenden Ausweitung der Kredite (und der sinkenden Eigenkapitalquote) steigt aber auch das Risiko, die Forderungen der Gläubiger nicht mehr bedienen zu können und in Zahlungsnotstände zu geraten. Schlimmstenfalls führt das zur Bankinsolvenz.
Um das zu verhindern und sicherzustellen, dass Banken die Forderungen ihrer Kunden bedienen können, müssen sie bestimmte Mindestanforderungen an Eigenkapital erfüllen. In welcher Höhe eine Bank Eigenmittel mindestens vorhalten muss, hängt von den Risiken ab, die sie eingeht. Freilich kann nicht jeder Kredit in vollständiger Höhe durch Eigenkapital gedeckt sein. Vielmehr geht es eben darum, eine adäquate Mindestmenge zu definieren, so dass die Einlagen der Gläubiger nicht gefährdet werden. So schreibt das zweite Baseler Abkommen (Basel II) den Banken vor, dass sie mindestens acht Prozent der mit Risiken behafteten Forderungen mit Eigenkapital unterlegen müssen. Die verbleibenden 92 Prozent können sie über Verbindlichkeiten (z. B. Einlagen von Sparern) finanzieren. Die Finanzmarktkrise hat die Eigenkapitalausstattung von Banken maßgeblich beeinflusst.
Der Grund: Große kapitalmarktorientierte Finanzinstitute sind gesetzlich verpflichtet, Wertpapiere zu ihrem Marktwert (und nicht z. B. zu ihrem Kaufwert) in der Bilanz zu führen (Bilanzierungsregeln). In der aktuellen Krisensituation sank die Nachfrage nach vielen Wertpapieren – und damit auch ihr Marktwert – rapide ab, da große Unsicherheit über mögliche toxische Inhalte herrschte. In der Konsequenz verbuchten die Finanzinstitute hohe Wertminderungen in ihren Bilanzen und mussten hohe Beträge abschreiben. Da Abschreibungen den Gewinn verkleinern oder es zu möglicherweise großen bilanziellen Verlusten kommt, werden die Rücklagen bzw. das Eigenkapital aufgezehrt, d. h., Banken müssen ihre Kreditvergabe entsprechend einschränken, um weiterhin der Mindestanforderung von Basel II gerecht werden zu können.
Da dies eine bevorstehende Rezession verstärken kann, wird auch von der „prozyklischen Wirkung“ von Basel II gesprochen. Analog zur Rezession wird in Boomphasen eine Ausweitung der Kredite möglich, die die Wirtschaft zusätzlich anheizt: Bei Kursgewinnen steigen Bilanzwert und gegebenenfalls auch das Eigenkapital – selbst dann, wenn es sich bei den Kursgewinnen um das Ergebnis einer Spekulationsblase handelt. Wie in der gegenwärtigen Krise sind die Banken aber gezwungen, nach Kursverlusten ihre Wertpapierbestände neu zu bewerten. Das wiederum kann ihr Eigenkapital mindern, so dass sie – wie oben beschrieben – ihre Kreditvergabe reduzieren müssen.