Donnerstag, 31. Dezember 2009

The Invisible Hand of Money SICHTBAR MACHEN




Die Geldschöpfung der Geschäftsbanken:
Bestritten, nicht verstanden oder ideologisch fehlinterpretiert?



Ernst Dorfner


„Mit dem Wissen von heute haben wir die dem Finanzsystem zugrunde liegenden Spielregeln fundamental infrage zu stellen – auch wenn sie bis zum Ausbruch der Finanzmarktkrise im Rang unbestreitbarer Glaubenssätzen standen.“
So Wilfried Stadler in einem Kommentar in „Die Presse“ vom 27.11.2009 (1). Aber was ist nun mit dieser fundamentalen Infragestellung? Ist dahingehend schon etwas geschehen, zumindest andiskutiert? Man führt zwar„Debatten über Krisendebatten“ (OÖN vom 05.12.09): Wer ist schuld: Der Markt oder die Politik? Marktversagen oder Politikversagen? Der Beitrag von Stadler ist eine rühmliche Ausnahme. Wenn etwas mit unserem Geld- und Finanzsystem nicht in Ordnung ist, so sollte es doch naheliegend sein, vor allem über dieses zu reden. Die Frage aber, was denn Geld überhaupt ist, wie es entsteht, wie es geschöpft wird, und welche Folgen diese Schöpfung hat, darüber herrscht weiterhin Stillschweigen, "Man sieht nur das im Lichte, das im Dunklen sieht man nicht.“ Im Lichte aber steht mehr Ideologie als fundamentale Analyse. Und die baut wiederum auf eine Volkswirtschaftslehre auf, die mit Geld und seiner Bedeutung für die moderne Wirtschaft nichts anzufangen weiß. „Kurz: es kann, wenn man der Sache auf den Grund geht, in der Wirtschaft der Gesellschaft nichts Bedeutungsloseres geben als Geld; außer insofern es ein Mittel zur Ersparnis von Zeit und Arbeit ist. Es stellt sich als ein Mechanismus dar, dasjenige in Ruhe und Bequemlichkeit zu tun, was auch ohne es gleichfalls, wenn auch weniger ruhig und bequem, getan würde; und wie viele Mechanismen übt auch dieser seinen besonderen Einfluss nur in Fällen der Unordnung aus. Die Einführung des Geldes greift keineswegs in den Verlauf irgendeines der (...) Wertgesetze störend ein.“ Von dieser Meinung von John Stuart Mill (Grundsätze der polit. Ökonomie) geht die heutige Lehre noch immer aus. Es ist nur ein angehängter Mechanismus, der die Grundsätze der Suche nach dem Marktgleichgewicht nicht berührt, jener Harmonielehre, nach der die unsichtbare Hand des Markt alles zum Besten regelt. Nicht erkannt wird aber, dess es die unsichtbare Hand des Geldes ist, welches das logistische Zusammenspiel in einer hocharbeitsteiligen Wirtschaft mit tief gestaffelter Produktionshierarchie erst möglich macht.

Es stellt sich die Frage, ob es Unvermögen oder Unwille ist, die Annahmen der Schulwissenschaft in Frage zu stellen?

Es ist allseits Unwille. Bei einer fundamentalen Infragestellung würden ja Interessen berührt, die gut etabliert sind. Das, was die Kritiker des Neoliberalismus aufzeigen, ist ja nicht ganz von der Hand zu weisen. Statt einem eher verschwörungstheoretischen Ansatz wäre jedoch vielmehr eine gründliche Analyse unserer modernen Geldwirtschaft verlangt.
Der Unwille aber findet sich nicht nur bei den monetären Profiteuren des Gegebenen, sondern auch bei denen, deren – nach Außen zumindest vorgezeigte - Interessen entgegen gesetzter politischer Natur sind. Es wären ja auch Fragen zu stellen, welche die Projektion von den Bösen gegen die Guten betreffen könnte, wie es mit der Kritik an der neoliberalen Ideologie leicht vermittelbar ist. Und auch politische Früchte zeitigt.
Unvermögen aber ist es, wenn einerseits die Schuld an der Krise der Hegemonie des Neoliberalismus zugeschrieben wird, ohne andererseits zu erkennen, dass das eigene Wissen über die Probleme von eben dieser Hegemonie in Form der neoklassischen Schulwissenschaft getragen wird. Die Analyse des Ist-Zustandes wird mit Mitteln betrieben, die vom Ist-Zustand bereitgestellt werden. Damit wird das zur Spiegelfechterei.


Ich habe den Beitrag von Stadler einem Mitarbeiter der Arbeiterkammer Linz, F. G., studierter Ökonom, zusammen mit Beiträgen von mir (www.ernst-dorfner-7.blogspot.com ) zukommen lassen, der mir dann in einer Antwort (2) schreibt:
„…, wären die Einkommen so gleich verteilt, dass die Haushalte alles verfügbare Einkommen ausgeben und nichts sparen würden, Staat und Unternehmen müssten keine Schulden aufnehmen“.

Das ist eine vom neoklassischen Gleichgewichtsgeist getragene Vorstellung einer stationären Wirtschaft, die sich immer nur am gleichen Niveau reproduziert. Und in der schon fertige Produkte mit Hilfe des Geldes getauscht werden. Nur dazu braucht es hier Geld: Zum Tausch fertiger Produkte. In der Realität geht es jedoch vielmehr um die Möglichkeit, in einer hocharbeitsteiligen Gesellschaft mit privatem Eigentum überhaupt etwas fertigen zu können, was auch den Zugriff auf fremdes Eigentum voraussetzt. Geld dient hier als Tilgungsmittel von Schulden, die ja schon im vormonetären Bereich entstehen. Es geht also zuerst einmal um Einkommensentstehung und nicht um Einkommensverteilung. Und damit um - von Periode zu Periode immer weiter steigende - Verschuldungsbereitschaft vorwiegend der Unternehmen.
Lohneinkommen entsteht erst aus dieser Vorfinanzierung in jeder neuen Periode - und nicht aus der Verteilung der Einnahmen aus dem Verkauf der in der Vorperiode erzeugten und heute fertigen Waren. Ohne neue Lohneinkommender laufenden Periode könnten ja die Konsumwaren aus der Vorperiode gar nicht gekauft werden.
Lohneinkommen entsteht erst aus dieser Vorfinanzierung in jeder neuen Periode - und nicht aus der Verteilung der Einnahmen aus dem Verkauf der in der Vorperiode erzeugten und heute fertigen Waren. Ohne neue Lohneinkommen in der laufenden Periode könnten ja die Konsumwaren aus der Vorperiode gar nicht gekauft werden. Das Geld fließt somit nicht vorwärts, sondern zurück zur Tilgung alrter Schulden. Was vorwärts fließt, sind die immer weiter steigenden Schulden, wobei die alten Schuldner durch neue Schuldner abgelöst werden (müssen).

Wobei Lohneinkommen nicht nur bei der Konsumgüterfertigung entstehen, sondern dieser vorgelagert bei der Fertigung von Investgüter. Beide halten dann nach Konsumgütern Nachfrage. Diese wird also durch Kreditaufnahmen für Investitionen vergrößert. Diese Einsicht veranlasste Joan Robinson zur Feststellung: „Der Überschuss der Einnahmen aus dem Verkauf von Konsumgütern über deren Lohnsumme ist gleich der Lohnsumme im Investitionssektor. Die Gewinnspanne beim Verkauf der Konsumgütern hindert die Arbeiter daran, ihr gesamtes eigenes Produkt zu konsumieren und ermöglicht den Arbeitern im Investitionssektor, am Konsum teilzuhaben.“ (J. R., Über Keynes hinaus, 1967, S. 99). Um das richtig zu interpretieren, sollten diese Aussagen unter Beachtung der oben beschriebenen zeitlichen Abfolge gelesen werden

Wie Robinson noch festhält, gilt dies auch für eine Wirtschaft, in der alles gemeinschaftliches Eigentum ist. Dann aber ist allerdings zu fragen, wer die Verfügungsgewalt über dieses Eigentum haben muss, damit ein gezieltes Investieren möglich wird.

Damit geht es um die fortwährende Akkumulation von Produktionsvermögen, ohne der das Niveau der verfügbaren Konsumgüter weit unter dem heutigen liegen würde. Insofern ist die Debatte um die Einkommensverteilung stark ideologisch eingefärbt. Es geht nicht nur um Einkommen, die aus der Konsumgüterfertigung (einschl. Erhaltungsinvestitionen) kommen, sondern auch um solche, die aus zusätzlichem – neu geschöpften - Krediten stammenden Geld für Investitionen hervorgehen. Die daraus resultierende höhere monetäre Nachfrage nach den schon fertigen Konsumgütern erlaubtt dort Preise, die über den Gestehungskosten liegen und damit einen Gewinn möglich machen.

Die Kredit- und Geldschöpfung ist damit nicht nur Voraussetzung für die Akkumulation von Realvermögen, sondern auch von Geldvermögen. Das ist auch zeitlich zu verstehen.

Der Missbrauch dieser gesetzlich zulässigen Kreditschöpfung durch die Geschäftsbanken, mit der zwar eine Akkumulation von Geldvermögen durch eine Art Falschgeld, aber nicht im gleichen Ausmaß von Realvermögen betrieben wurde und wird, ist aber der Kern der gegenwärtigen Finanzmarktkrise. Eben dieses ist zu verstehen, und nichts anderes. Es geht nicht nur um die Quantität der Kredite sondern auch und vor allem um deren Qualität.

Dieser Zusammenhang geht aber dann weitgehend unter, wenn diese Geldschöpfung so wie bei G. als reine bankinterne Mechanik zur Schaffung von Tauchmittel beschrieben wird, die mit einer Akkumulation von Produktionsvermögen nichts zu schaffen hat:
„Der Beitrag von Wilfried Stadler ist interessant, es sollten jedoch die unterschiedlichen Formen der Geldschöpfung auseinander gehalten werden. Die Buchgeldschöpfung, wie du sie eingangs beschreibst, hat nicht unbedingt was mit den Exzessen auf den liberalisierten Finanzmärkten zu tun, sondern ist auch normal bei „Dienstleistungsbanken“, die Sparguthaben einsammeln und damit Kredite weiter geben. Du hast 1.000 Geld, legst sie auf ein Sparbuch, die Bank vergibt sie weiter an einen Kreditnehmer. Schon hat sich das Buchgeld vermehrt, du hast eine Forderung an die Bank, diese hat eine Geldforderung an den Kreditnehmer.“

Sie gilt also als „normal“, diese Buchgeldschöpfung. Aber ist das nicht gerade die Problematik, dass etwas als normal gilt, was dringend in Frage zu stellen ist? Einmal mehr ist es das Lehrbuchwissen des neoklassischen Mainstreams, wie es nahezu überall vermittelt wird. Dabei wird die Meinung unreflektiert weitergegeben, dass die Deckung der Forderung gegen die Bank so irgendwie durch den ursprünglich eingelegten 1000er gewährleistet ist, wie auch folgender Satz nahe legt:
„Die Notenbank kann diese Geldschöpfung eindämmen, indem einen Teil der Guthaben zinslos bei ihr zurückgelegt werden müssen (Mindestreservenpolitik).“
Bei einer üblichen Mindestreserve von 2% kann diese Eindämmung kaum mehr etwas bewirken. Die Geldschöpfung liegt so faktisch in den Händen der Geschäftsbanken. Der Satz „Letztendlich könnte die Notenbank die Geldschöpfung auch selbst machen und daran verdienen.“ bestätigt dies ja indirekt. Offen bleibt dabei, warum die Notenbank dies nicht tut. Sie kann auch Kredite aus dem Nichts schöpfen. nd nichs anderes tun die Geschäftsbanken.

In der buchhalterischen Wirklichkeit ist aber diese Gewährleistung nicht durch die ursprüngliche Einlage gegeben – die sich dann ja auch auf der Passivseite der Bankbilanz finden müsste -, sondern über die Forderungen und deren Qualität auf der Aktivseite der Bankbilanz. Und damit über eine sinnvolle Akkumulation von Produktivvermögen. Dabei geht es um die ausgereichten Kredite und kreditähnlichen Forderungen insgesamt, nicht aber über einen ganz konkreten Kredit. All das aber ist aus den Worten von G. nicht herauszulesen.

Überhaupt meine ich, dass eine nicht unwesentliche ideologiebestimmte Fehlinterpretation der Bankenbilanz vorliegt, wenn es heißt:
„Um das mangelnde Vertrauen (geschädigt durch toxische Papiere in den Bilanzen) wieder herzustellen, hat der Staat im Bankenhilfspaket Eigenkapital zugeschossen (in Österreich in einer Form, die schieflastig zuungunsten der SteuerzahlerInnen und zugunsten der Banken ist und damit zu deren Aktionäre) als sog. Partizipationsscheine (um das Vertrauen im Bankensektor wieder her zustellen – Interbankenmarkt) und zusätzliche Haftungsübernahmen (Staat garantiert zivilrechtlich den Bankgläubigern für die Bankschulden bis zu einer bestimmten Höhe einzustehen.)“
Die Partizipationsscheine legen jedoch nicht die Banken auf, und der Staat erwirbt sie, sondern der Staat legt sie auf, und die Banken erwerben sie. Die Partizipationsscheine sind damit nichts anderes als eine besondere Form eines Kredites. Mit dem dabei von den Banken neu geschöpften Geld erwirbt der Staat die faulen Forderungen der Banken (Kredite) und ersetzt sie durch gesunde Forderungen gegen sich. Der Staat saniert so die linke Seite der Bankenbilanz, und erhält dafür ein faules Ei.

Dies kommt dem Vorschlag mit den „bad banks“ gleich. Was jedoch G. hierzu meint, ist nicht nachvollziehbar: „Bad banks sind natürlich Tricksereien, damit die Geschäftsbank bilanzieren kann, die notwendige Eigenkapitalquote aufweist und wieder vertrauenswürdig wird.“
Wohl sind bad banks Tricksereien. Bei diesem Vorschlag geht es aber nicht um die Eigenkapitalquote (Passivseite), sondern um die Sanierung der Aktivseite der Bilanz, wie oben beschrieben. (4)
Eine Erhöhung des Eigenkapitals kann durch Umschichtung von Fremdkapital hin zu Eigenkapital erfolgen, bis dieses dann unter Einhaltung des Kreditwesengesetzes soweit abgewertet werden kann, dass die Bilanz der Bank nicht mehr schief ist. Die Passivseite der Bilanz wird somit auf die Höhe der Aktivseite verkürzt. Übrigens ein Vorschlag der Österr. Nationalbank (OeNB). Mit der Drohung, dass der Staat die Bank nicht auffängt, könnte er gegen die grossen Geldvermögenshalter durchgesetzt werden, die mit einer Pleite der Bank im Extremfall einen Totalverlust hinzunehmen hätte.
Diese Umschichtung von Fremdkapital auf Eigenkapital kann auch der Staat machen, soferne er auf entsprechende Rücklagen zurückgreifen kann. Wenn - odere weil - dieses aber nicht der Fall ist, kann er diese Umschichtung erst nach Aufnahme eines Bankkredits machen, und dann mit dem so geschaffenen Geldmitteln soweit Anteile an der Bank erwerben, dass die Eigenkapitalquote wieder erfüllt wird. Dass kann bis zur Verstaatlichung der Bank gehen. Steigen dann die Aktienkurse wieder, kann der Staat irgendwann seinen Anteil verkaufen und mit dem Erlös nicht nur seine Kreditschulden tilgen sondern darüber hinaus noch einen Gewinn machen. Allerdings ist diese Möglichkeit - zumindest in Österreich nicht genutzt worden. Wohl auch deshalb, weil Politiker aller Couleurs und ihre ökonomischen Berater die Bedeutung des Geldes als logistisches Instrument unserer Wirtschaft nicht wahrnehmen (wollen). Damit hat die folgende Aussage von Hajo Riese seine bisherige Nonchalence verloren.

"Denn er (Marx) steht diesbezüglich nur für die mangelnde Einsicht der klassischen Ökonomie insgesamt. Das aber hat für uns, die wir im Kapitalismus leben, insofern etwas Beruhigendes, als dieser nach seinen eigenen Gesetzen funktioniert, eben aber nicht den Einsichten von Wissenschaftlern folgt. Deshalb ist er auch dann funktionsfähig, wenn die Einsichten. unzureichend oder falsch sind. Dem Kapitalismus ist es höchst gleichgültig, was die Menschen einschließlich der Wissenschaftler von ihm denken. Sie bleiben dessen ungeachtet seinen Funktionsbedingungen ausgeliefert. Und das ist die List der Geschichte, die wir zu akzeptieren haben.“

Hajo Riese, Geld: Das letzte Rätsel der Nationalökonomie,
in Schelkle/Nitsch, Rätsel Geld, S. 61, 1996

Die Haftungsübernahme bedeutet, dass der Staat die Auszahlung von Einlagen in Cash sichert. Das ist damit vor allem eine Beruhigungsmaßnahme, um einen Run auf die Banken zu vermeiden.

„Der Staat ist nicht automatisch creditor of last ressort, sondern weil er Banken wegen der beträchtlichen Auswirkungen auf die reale Wirtschaft nicht pleite gehen lassen will.“
Dieser Satz muss wohl richtig heißen: Der Staat ist nicht automatisch creditor of last ressort, sondern erst dann, wenn er die Banken wegen der beträchtlichen Auswirkungen auf die reale Wirtschaft nicht pleite gehen lassen will.

Vollkommen in die neoklassiche Sackgasse gerät dann aber G., wenn es heißt:
„Geldvermögen und Schulden hängen zusammen, wären die Einkommen so gleich verteilt, dass die Haushalte alles verfügbare Einkommen ausgeben und nichts sparen würden, Staat und Unternehmen müssten keine Schulden aufnehmen. Der Staat müsste weniger Schulden aufnehmen, wenn er diejenigen, die viel sparen können höher besteuern würde.“

Hier ergibt sich ein unterschiedlicher Sinn, je nachdem, wie die Interpunktation verbessert wird. Eins aber sollte klar sein, dass diese Aussagen, insbesondere was „die Schulden“ betrifft, ideologisch hinterlegt ist: Dass Geldvermögen und Schulden zusammenhängen, zeigt doch jede Bankenbilanz. Jedem Euro als Guthaben steht ein Euro als Schuld gegenüber. Auch dann, wenn die Haushalte alles verfügbare Einkommen ausgeben, müssen die Unternehmen Schulden aufnehmen. Jede Unternehmensbilanz zeigt das doch. Und müssen zu den vorhandenen Schulden zusätzliche Schulden dazu kommen, damit es ein Wachstum der Realwirtschaft und des Geldvermögens geben kann. Wie schon Karl Marx bemerkt hat: „Die Frage ist nicht: wo kommt der Mahrwert her; sondern: wo kommt das Geld her, um den Mehrwert zu versilbern,“ (Das Kapital II)

Letztlich bestätigt G. mit seinen Aussagen die Notwendigkeit, die Wilfried Stadler verlangt: „Mit dem Wissen von heute haben wir die dem Finanzsystem zugrunde liegenden Spielregeln fundamental infrage zu stellen – auch wenn sie bis zum Ausbruch der Finanzmarktkrise im Rang unbestreitbarer Glaubenssätzen standen.“
Dabei ist das Wort „Glaubensätze “ vielleicht auch in einem abgewandelten Sinn zu verstehen: Man lässt auch von Seiten der Arbeitnehmervertreter den Menschen etwas glauben, was bei ihnen ankommt, anstatt eine wirkliche Infragestellung anzugehen: Es geht viel mehr um Ideologie. Mit dem Wissen der Neoklassik und mit Ideologie werden jedoch die Probleme am Finanzmarkt nicht beseitigt werden können.





Anhang

(1) diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/524503/index.do?parentid=0&act=2&isanonym=null#kommentar0

(2) in Orginalfassung

Lieber Ernst,
danke für die Unterlagen.
Darf ich mir ein paar anmerkungen erlauben?
Der beitrag von Wilfried Stadler ist interessant , es sollten jedoch die unterschiedlichen formen der geldschöpfung auseinander gehalten werden.

Pkt 1Die buchgeldschöpfung, wie du sie eingangs beschreibst, hat nicht unbedingt was mit den exzessen auf den liberalisierten finanzmärkten zu tun, sondern ist auch normal bei „Dienstleistungsbanken“, die sparguthaben einsammeln und damit kredite weiter geben. Du hast 1.000 geld, legst sie auf ein sparbuch, die bank vergibt sie weiter an einen kreditnehmer. Schon hat sich das buchgeld vermehrt., du hast eine forderung an die bank, diese hat eine geldforderung an den kreditnehmer.
Die notenbank kann diese geldschöpfung eindämmen, indem ein teil der guthaben zinslos bei ihr zurück gelegt werden müssen (mindestreservenpolitik) (letztendlich könnte die notenbank die geldschöpfung auch selbst machen und daran verdienen).

Die forderungen sind zivilrechtlich geschützt (nicht durch die eigentumsgarantie in der verfassung resp. im staatsgrundgesetz), also durch das ABGB und sind beim Zivil-bzw. handelsgericht einzuklagen. Wenn allerdings keine entsprechenden vermögenswerte mehr da sind, auf die zugegriffen werden kann, hilft alles recht nicht.

Um das mangelnde vertrauen (geschädigt durch toxische papiere in den bilanzen) wieder herzustellen, hat der staat im bankenhilfpaket eigenkapital zugeschossen (in Ö in einer form die schieflastig zuungunsten der steuerzahlerInnen und zugunsten der banken ist und damit zu deren aktionäre) als sog. Partizipationsscheine (um das vertrauen im bankensektor wieder her zustellen – Interbankenmarkt) und zusätzliche haftungsübernahmen (staat garantiert zivilrechtlich den bankgläubigern für die bankschulden bis zu einer bestimmten höhe einzustehen).
Der staat ist nicht automatisch creditor of last ressort, sondern weil er banken wegen der beträchtlichen auswirkungen auf die reale wirtschaft nicht pleite gehen lassen will..
Bad banks sind natürlich tricksereien, damit die geschäftsbank bilanzieren kann, die notwendige eigenkapitalquote aufweist und wieder vertrauenswürdig wird. Letztendlich die frage der gesetzlichen und vertraglichen gestaltung, wie weit die steuerzahler zum handkuss kommen.

Pkt. 2 ) ganz wesentlich, dass mit den aufgenommenen krediten normalerweise wieder vermögenswerte geschaffen werden.
Geldvermögen und schulden hängen zusammen, wären die einkommen so gleich verteilt, dass die haushalte alles verfügbare einkommen ausgeben und nichts sparen würden, staat und unternehmen müssten keine schulden aufnehmen. Der staat müsste weniger schulden aufnehmen, wenn er dienjenigen, die viel sparen können höher besteuern würde (die derzeit herrschende neoliberale ideologie geht allerdings einen anderen weg – entlastung der besserverdiener)

Zur bilanz: geldvermögen steht auf der linken , der Aktivseite der bilanz (neben anderem vermögen), auf der rechten, der passivseite ist ersichtlich, wie die finanzierung erfolgt (eigenkapital oder fremdkapital) ME entsteht geldvermögen nicht kreditaufnahmen, sondern die immer ungleicher werdende einkommensverteilung (besonders ungleich bei vermögenseinkommen) und damit entsprechende sparquoten (die wiederum einen ausfall im wirtschaftskreislauf an nachfrage bedeuten).
Der staat schafft nicht geldvermögen durch deficit spending, sondern weil zuwenig gegen die ungleicher werdende verteilung eingreift bzw. die unternehmen zuwenig investieren, damit sie das geld dafür aufnehmen würden.

Pkt 3) Nicht durch die aufnahme von krediten hat der staat notleidende banken unterstützt, sondern durch eigenkapital (partizipationsscheine ) und haftungsübernahmen.

Pkt. 4) Es ist richtig, dass die finanzmärkte über den weg kreditfinanzierten konsumausgaben (und durch preisanstiege bei immobilien und aktien ist die kreditwürdigkeit der schuldner enorm gestiegen9, die private nachfrage stimulierten. Weil in wichtigen ländern (v. a. USA )aufgrund niedriger einkommenssteigerungen die nachfrage zu gering ist)
Ein grober fehler, wie sich spätestens 2007 nach zusammenbruch der immoblase zeigte und eine massive verschärfung in die andere richtung auftrat: die immobilien und die aktienpakete , deren preise verfielen, taugten nicht mehr zur sicherung der aufgenommenen kredite und millionen gingen pleite.


(3)

Siehe etwa:
heise.de/bin/tp/issue/r4/dl-artikel2.cgi?artikelnr=31763&mode=html&zeilenlaenge=72
Chance für Systemwandel
Können Sie in der obersten Oberschicht der EU und der Bundesrepublik ähnliche Spannungen ausmachen?
Hans Jürgen Krysmanski: Selbstverständlich. Wo Macht sich konzentriert, gibt es auch Machtkämpfe. Man denke an die Fehden des Feudalismus. Wenn man etwas verändern will, muss man sich mit diesen Konfliktstrukturen und Spannungen beschäftigen. Und dabei ist es ganz wichtig, zwischen dem Geldadel, den Superreichen, auf der einen Seite und ihren Funktionseliten – den Konzern-, Finanz- und Militäreliten, der politischen Elite, den Wissens-, Verwaltungs-, Wohlfühleliten – auf der anderen Seite zu unterscheiden. Mag der Geldadel seine teilweise völlig irrationalen Konflikte und Eitelkeiten doch unter sich austragen. Eine Veränderung des Systems ist von denen ohnehin nicht zu erwarten. Was natürlich nicht ausschließt, dass es auch unter den europäischen Superreichen interessante, verantwortungsvolle Personen und Gruppen gibt.
Aber meiner Ansicht nach besteht die Chance für einen Systemwandel eher darin, die in der gegenwärtigen Krise durcheinandergerüttelten Funktionseliten, welche den Herrschaftskomplex ja in stillen Stunden ganz gut durchschauen (und auch in der ständigen Gefahr stehen, degradiert zu werden), dazu zu bewegen, über ihre eigene Rolle in diesem System nachzudenken. Sie kennen sich ja aus im Milieu. Sie können mit der vorhandenen Wissensmaschinerie umgehen. Sie könnten sich eigentlich in der großen Tradition der Aufklärung wiederfinden, die den Feudalismus zu Grabe trug. Irgendwie brauchen wir für eine demokratische, wissenschaftliche, planvolle Überwindung von Klassenherrschaft auch die Expertise dieser Funktionseliten. Und gerade mittels der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien könnten sie dazu beitragen, ein globales Netzwerk friedlicher Assoziationen, Projekte, Organisationen usw. aufzubauen, in dem, wie es im Kommunistischen Manifest heißt, die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.

Zuguterletzt: Wie wird es weitergehen? Werden die Guten siegen und die Bösen unterliegen?

Hans Jürgen Krysmanski: Ich hoffe, dass diejenigen, die sich selbst mittels Medienmacht zu Guten stilisieren, denen, die endlich böse auf dieses ausbeuterische System geworden sind, unterliegen werden.

(4)
Konrad Adenauer Siftung  
http://www.kas.de/wf/de/71.7114/

Welche Rolle spielt Eigenkapital für Banken?

Banken benötigen – wie jedes Unternehmen – eigenes Kapital, um überhaupt Bankgeschäfte betreiben zu dürfen. Benötigt wird dieses Eigenkapital, um potentielle Verluste, die durch einen Kreditausfall entstehen können, abzufedern, die Zahlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten und als Geschäftspartner von anderen Banken anerkannt zu werden.
Analog zu Unternehmen sind auch Banken bestrebt, ihren Umsatz zu maximieren. Das tun sie, indem sie ihr Kreditgeschäft ausweiten, so dass dem einzelnen Kredit immer weniger Eigenkapital gegenübersteht. Mit der zunehmenden Ausweitung der Kredite (und der sinkenden Eigenkapitalquote) steigt aber auch das Risiko, die Forderungen der Gläubiger nicht mehr bedienen zu können und in Zahlungsnotstände zu geraten. Schlimmstenfalls führt das zur Bankinsolvenz.
Um das zu verhindern und sicherzustellen, dass Banken die Forderungen ihrer Kunden bedienen können, müssen sie bestimmte Mindestanforderungen an Eigenkapital erfüllen. In welcher Höhe eine Bank Eigenmittel mindestens vorhalten muss, hängt von den Risiken ab, die sie eingeht. Freilich kann nicht jeder Kredit in vollständiger Höhe durch Eigenkapital gedeckt sein. Vielmehr geht es eben darum, eine adäquate Mindestmenge zu definieren, so dass die Einlagen der Gläubiger nicht gefährdet werden. So schreibt das zweite Baseler Abkommen (Basel II) den Banken vor, dass sie mindestens acht Prozent der mit Risiken behafteten Forderungen mit Eigenkapital unterlegen müssen. Die verbleibenden 92 Prozent können sie über Verbindlichkeiten (z. B. Einlagen von Sparern) finanzieren. Die Finanzmarktkrise hat die Eigenkapitalausstattung von Banken maßgeblich beeinflusst.
Der Grund: Große kapitalmarktorientierte Finanzinstitute sind gesetzlich verpflichtet, Wertpapiere zu ihrem Marktwert (und nicht z. B. zu ihrem Kaufwert) in der Bilanz zu führen (Bilanzierungsregeln). In der aktuellen Krisensituation sank die Nachfrage nach vielen Wertpapieren – und damit auch ihr Marktwert – rapide ab, da große Unsicherheit über mögliche toxische Inhalte herrschte. In der Konsequenz verbuchten die Finanzinstitute hohe Wertminderungen in ihren Bilanzen und mussten hohe Beträge abschreiben. Da Abschreibungen den Gewinn verkleinern oder es zu möglicherweise großen bilanziellen Verlusten kommt, werden die Rücklagen bzw. das Eigenkapital aufgezehrt, d. h., Banken müssen ihre Kreditvergabe entsprechend einschränken, um weiterhin der Mindestanforderung von Basel II gerecht werden zu können.
Da dies eine bevorstehende Rezession verstärken kann, wird auch von der „prozyklischen Wirkung“ von Basel II gesprochen. Analog zur Rezession wird in Boomphasen eine Ausweitung der Kredite möglich, die die Wirtschaft zusätzlich anheizt: Bei Kursgewinnen steigen Bilanzwert und gegebenenfalls auch das Eigenkapital – selbst dann, wenn es sich bei den Kursgewinnen um das Ergebnis einer Spekulationsblase handelt. Wie in der gegenwärtigen Krise sind die Banken aber gezwungen, nach Kursverlusten ihre Wertpapierbestände neu zu bewerten. Das wiederum kann ihr Eigenkapital mindern, so dass sie – wie oben beschrieben – ihre Kreditvergabe reduzieren müssen.





Mittwoch, 9. Dezember 2009

Der nicht-emanzipierte Staat und seine WIRTPFLANZE namens Kapitalismus


Ernst Dorfner


Vorbemerkung:

Ich habe den Beitrag Anfang 2008 geschrieben, also vor der großen Kapitalmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/2009. Aus der aber hat die Sozialdemokratie kaum etwas gelernt. Vielmehr hat sie mit ihrer Politik die unten beschriebene Abhängigkeit von der Wirtspflanze „Kapitalismus“ noch verdeutlicht.


Bei einer/m Fortschrittlichen, einer/m Linken, kommt sofort Widerspruch auf, wenn etwas Anti-Emanzipatorisches, Befürwortendes in Richtung alleinverdienenden Ehemann und von ihm abhängige Nur-Hausfrau antönt. Unabhängigkeit steht im gesellschaftlichen Ranking ganz oben, wenngleich wir in unserer modernen Gesellschaft in millionenfachen Abhängigkeiten leben.

Diese Abhängigkeiten scheinen aber aus unserer Wahrnehmung zu verschwinden. Dass all das so funktioniert, wie wir es heutzutage erwarten, vom Wasser und Strom für die morgendliche Toilette, dem halbwegs pünktlichen Öffi, der Tankstelle bis hin zum Internet, wird als Selbstverständlichkeiten betrachtet. Doch irgendjemand oder irgendetwas muss das doch koordinieren.

Der überzeugte Marktwirtschaftler wird hier nun sagen: das macht die unsichtbare Hand des Marktes. Mag sein. Aber dieser Markt funktioniert nicht ohne Geld. Es ist das Geld, das Geldeinkommen, welches uns alle veranlasst, uns den Forderungen der Wirtschaft zu unterwerfen und damit ihre Dynamik hervorzubringen. Es diszipliniert uns. Weil Geld nicht einfach, nicht von vorne herein da ist, sondern es erst von der kapitalistischen Wirtschaft vor allem als Lohneinkommen hervorgebracht werden muss. Weil es aber nicht schon immer da ist, kann es - das Geld – auch nicht einfach verteilt werden.

Wir leben in einer Kreditgeldwirtschaft. Das ist eigentlich unübersehbar. Wären die Volkswirte so wie die Betriebswirte Kaufleute und Buchhalter, müssten sie anhand der Statistiken, wie sie jeder Monatsbericht der Zentralbanken enthält, dies auch klar erkennen: Es gibt nur soviel Geld und Geldvermögen, wie es auf der anderen Seite der Bilanz an Schulden aus Krediten oder kreditähnlichen Verbindlichkeiten gibt. Geld muss zuvörderst von der Wirtschaft erst geschaffen werden. Eine Erkenntnis, die verbal so nicht vermittelt wird, sich nicht in den täglichen Aktivitäten von Wirtschaft und Politik abbildet.

Doch erst durch Aufnahme von Krediten, mit denen die Produktionen vorfinanziert werden, entsteht Geld. Es entsteht durch Verschuldung, so wie es durch Entschuldung wieder verschwindet. Und durch Neuverschuldung wieder neu entsteht. Dabei werden die Altschulden über Neuschulden getilgt, womit die Schuldensumme nicht reduziert wird - und wegen des Wachstums sogar steigen muss - , nur eine Wechsel in der Person der Schuldner erfolgt. Damit aber ist noch immer nicht das grundlegende Problem angesprochen, dass der Staat strukturell von der Wirtschaft abhängt. Nur dann, wenn die Unternehmen Geld ausgeben, also Löhne und Gehälter zahlen, Vorfabrikate, Rohstoffe und Einrichtungen zukaufen, ist eine Steuer- und Abgaben-Basis gegeben, die belastet werden kann. Erst durch die Dynamik der Wirtschaft entsteht Geld: Die Unternehmen müssen ja die Produktion vorfinanzieren und dafür selbst oder auch vermittels Dritter Kredite aufnehmen. Allem Geld und Geldvermögen stehen, wie überprüft werden kann, gleich hohe Kredit- und Kredit-ähnliche Schulden gegenüber (siehe dazu Monatsberichte der OeNB oder der Bundesbank).

Von vorneherein ist also Geld nicht vorhanden. Geldvermögen sind nicht Schatztruhen voll mit Euro-Scheinen, sondern Forderungen gegen Schuldner. Je mehr die Unternehmen Schulden machen, umso höher ist zwar das Vermögen, doch kann dieses nicht verteilt werden. Das Vermögen sind die Schulden anderer, die aber von den Schuldnern jetzt nicht beglichen werden können. Weil sie eben Schulden haben. Die Begleichung, die Tilgung der Schulden, geht nur längerfristig über die Amortisation.

Wenn die Schulden verschwinden, dann verschwindet auch das Vermögen. Wenn nun aber das Vermögen nicht verschwindet, dann heißt das, dass sich andere wieder neu verschulden müssen.

Natürlich kann sich auch der Staat verschulden. Die Frage ist aber, wieweit er in der Lage ist, seine Schulden zu tilgen. In der Tat ist dies die ganzen Jahre nicht erfolgt, sondern sind die Schulden immer weiter angehäuft worden. Diese Möglichkeit der Kreditaufnahme durch den Staat ist damit heute versperrt. Und sie ist für nicht-investive Maßnahmen, also für den Konsum, überhaupt verwehrt

Damit ergeben sich zwei Arten der Abhängigkeit des Staates und insbesondere des Sozialstaates von der kapitalistischen Wirtschaft:

  • eine finanzielle Abhängigkeit;
  • eine strukturelle Abhängigkeit

DIE FINANZIELLE ABHÄNGIGKEIT: DIE KAPITALISTISCHE WIRTSCHAFT ALS WIRTPFLANZE DES SOZIALSTAATES

In seinem Statement bei der Veranstaltung der Bischöflichen Arbeitslosenstiftung der Diözese Linz “Arbeit für alle? – Gerechtigkeit für alle!“ im Dezember 2007, in der die Frage eines Grundeinkommens oder einer Grundsicherung diskutiert wurde, erinnerte Sozialminister Erwin Buchinger daran, dass der Sozialstaat heutiger Ausformung vor mehr als 100 Jahren nicht von der Arbeiterbewegung durchgesetzt wurde, sondern im Deutschen Reich vom konservativen Reichkanzler Otto von Bismarck. Dieser wollte damit den aufstrebenden Sozialdemokraten das Wasser für einen politischen Erfolg abgraben.

Erwin Buchinger betonte auch die Prämissen seiner Politik, die nicht von Idealen, sondern von Machbarkeit bestimmt sei. Und das heißt, zur Kenntnis zu nehmen, dass unser Wirtschaftssystem ein kapitalistisches ist.

Meine Wortmeldung bei dieser Veranstaltung versuche ich hier in prägnanter Kürze so wiederzugeben: Der Kapitalismus ist die Wirtpflanze des modernen Sozialstaates. Oder sarkastisch umgekehrt: Der Sozialstaat bemüht sich, die Lebenssäften des kapitalistischen Baum anzuzapfen, zu schmarotzen . Daher gilt: Dem Sozialstaat geht es nur dann gut, wenn es auch der kapitalistischen Wirtschaft gut geht. Das aber ist nicht so zwangsläufig: Auch wenn es der kapitalistischen Wirtschaft gut geht, muss es dem Sozialstaat noch nicht gut gehen. Der Wirtbaum lässt einzelne Äste und Zweige verdorren, auf dem sich die Gastpflanze angesiedelt hat.

Genau hier aber sind wir mit unserem Sozialstaat schon lange. Wenn es um „Arbeit für alle“ geht, dann müssen wir bemerken, dass die Art und Weise wie unser Sozialstaat finanziert wird, dazu führt, dass die Kosten der menschlichen Arbeit immer mehr in Diskrepanz kommen zum Arbeitseinkommen, das der Einzelne echt auf die Hand bekommt. Nahezu alle Steuern und Abgaben gehen ja in die Preise der Produkte und vor allem Leistungen ein. Alle diese Kosten müssen von den Unternehmungen vorfinanziert werden, wovon aber der Lohneinkommensbezieher nur einen Bruchteil erhält. Arbeitsleistung wird auf diese Weise immer weniger leistbar und dadurch auch nicht nachgefragt. Dramatisch wirkt sich das auf die Leistbarkeit insbesondere von Sozialdiensten aus, wie es in der Debatte um das Pflegegeld deutlich wird. Landesrat Josef Ackerl ist zuzustimmen, wenn er die Finanzierbarkeit der legalen Pflegearbeit nicht für möglich hält.

Diese Problematik ist bekannt, wird aber nur als Frage der Allokation gesehen. Eine entscheidend große Umschichtungen weg von der Arbeit hin zu anderen Steuer- und Abgaben-Tatbeständen muss aber an den realen Gegebenheiten scheitern. Eine weitaus höhere Besteuerung der eingesetzten Ressourcen und im Steuerausland zugekauften Vorfabrikate führt zu einer Abwanderung gerade dieser arbeitsextensiven Produktionen, welche die höhere Abgabenlast nun bringen sollten. Wird aber andererseits die Mehrwertsteuer massiv erhöht und dabei diese auf Arbeit fallen gelassen, wird wiederum eine Flucht der Konsumenten industrieller Produkte ins Steuerausland provoziert. In der Tat wären solche entscheidenden Umschichtungen in der Steuer- und Abgabenlast nur dann machbar, wenn sie zumindest EU-weit erfolgen.


DIE STRUKTURELLE ABHÄNGIGKEIT


Wenn wir erkennen, dass nicht nur unsere Wirtschaft, sondern die ganze Gesellschaft über Geld diszipliniert wird, so heißt das auch: Wer Geld hat, kann andere damit disziplinieren, in seinen Dienst stellen. Damit aber wird Geld jenes Etwas in unserer Gesellschaft, nach dem alles Streben zielt. Damit wird aber auch eine strukturelle Abhängigkeit des/der Einzelnen von dieser Kreditgeldwirtschaft geschaffen. Wer Geld verdienen oder aufnehmen will, muss sich dem Kapitalismus anpassen. Das Streben nach finanzieller Unabhängigkeit von Mitmenschen spielt dabei jenen Tendenzen in die Hände, die von den Linken als neoliberal bezeichnet werden. Es ist weitgehend das eigene Tun, und nicht so sehr die verschwörerische Kraft in der Wall Street.


Es gilt nur das als erstrebenswerte Arbeit, was Geldeinkommen bringt. Solidarität und Reziprozität wird so immer weiter zu Gunsten der Konzerne verdrängt, die ja einen möglichst großen Absatzmarkt brauchen.

Wenn nun aber Geld letztlich nur von der kapitalistischen Wirtschaft bereitgestellt wird, und wir nur mehr bereit sind, in Geld entlohnte Erwerbsarbeit zu leisten, dann geraten wir in eine immer größere Abhängigkeit von dieser Form der Wirtschaft. Ein emanzipatorischer Staat müsste nun aber trachten, mehr und mehr Unabhängigkeit wieder herzustellen. Heute aber zielt der Staat dem genau entgegen.

Damit aber ist noch immer nicht das grundlegende Problem angesprochen, dass der Staat strukturell von der Wirtschaft abhängt. Nur dann, wenn die Unternehmen Geld ausgeben, also Löhne und Gehälter zahlen, Vorfabrikate, Rohstoffe und Einrichtungen zukaufen, ist eine Steuer- und Abgaben-Basis gegeben, die belastet werden kann. Erst durch die Dynamik der Wirtschaft entsteht Geld: Die Unternehmen müssen ja die Produktion vorfinanzieren und dafür selbst oder auch vermittels Dritter Kredite aufnehmen. Allem Geld und Geldvermögen stehen, wie überprüft werden kann, gleich hohe Kredit- und Kredit-ähnliche Schulden gegenüber (siehe dazu Monatsberichte der OeNB oder der Bundesbank).

Von vorneherein ist Geld nicht vorhanden. Geldvermögen sind nicht Schatztruhen voll mit Euro-Scheinen, sondern Forderungen gegen Schuldner. Je mehr die Unternehmen Schulden machen, umso mehr ist zwar das Vermögen, doch kann dieses jetzt spontan nicht verteilt werden. Das Vermögen sind die Schulden anderer, die aber von den Schuldnern jetzt nicht beglichen werden können. Weil sie eben Schulden haben. Die Begleichung, die Tilgung der Schulden, geht nur längerfristig über die Amortisation.

Wenn so die Schulden verschwinden, dann verschwindet auch das Vermögen. Wenn nun aber das Vermögen nicht verschwindet, dann heißt das, dass sich andere wieder neu verschulden müssen.



www.ernst-dorfner-4.blogspot.com: „Die ganze Geldwirklichkeit existiert allein in den Büchern“